"Brauchen wir mehr Investoren-Architektur"?

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Architektur unter Investorenägide: 2010 wurden das 1959 errichtete Münchner AGFA-Hochhaus und die Verwaltungsbauten durch einen Neubau ersetzt. Um an der stadträumlich exponierten Stelle einen Akzent zu setzen, schrieb der Investor (Park Immobilien) einen Wettbewerb zur Fassadengestaltung aus. Der erste Preis ging an Hild und K Architekten.

 

Wenige Begriffe werden im Architekturdiskurs so einhellig verbannt wie jener des „Investors“ und mit ihm der „Investorenarchitektur“. Der Terminus steht für seelenloses, profitgeiles Einheitsbauen ohne Sinn für städtische Kontexte und ohne Blick für architektonische Details. Für eine Architektur, die in Fachzeitschriften wie im Feuilleton in Bausch und Bogen verdammt – oder gleich ganz ignoriert wird.

 

In der Tat können wir sie in jeder Stadt besichtigen, diese geltungssüchtigen Fließbandbüroklötze, die außer schnell verpuffenden optischen Primärreizen wenig zu bieten haben. Aber ist damit alles gesagt? Nein. Zum einen deshalb nicht, weil zunächst noch offen bleibt, was eigentlich das positive Gegenmodell zum Bauen mit Investoren ist. Braucht nicht jedes neue Gebäude einen Geldgeber, also Investor? Womit sich eher die Frage stellt: Warum entsteht eigentlich so viel Edelschrott? Was macht „gute“ Investoren aus, wie erkennt man die „schlechten“ – und kann man aus ihnen gute machen?

 

Damit wäre auch die Frage aufgeworfen, ob urbaner Wandel auch anders denkbar ist denn als staatlich zu verordnendes Sozialprogramm. Ob private Bauherren in ihm eine produktive Rolle spielen können. Denn eine Rolle spielen sie ja ohnehin, die Unternehmen oder wohlhabenden Individuen, die, mit klaren Vorstellungen und oft auch klaren unternehmerischen Visionen, ins Stadtbild eingreifen. Allerdings stellt sich die Frage, wie wir es schaffen, dass diese Eingriffe zu einer aussagekräftigen, interessanten und lebenswerten urbanen Struktur führen. (Gelungene und weniger gelungene Beispiele dazu gibt es auch in der Juli-Ausgabe des Baumeister zu sehen.)

 

Einen interessanten Fall offenbar nicht komplett verdammungswürdigen Investorenbauens hätte eigentlich Berlins prominentestes urbanes Sorgenkind erleben sollen, der Alexanderplatz. Ausgerechnet ein klassischer Investor, die Immobilienfirma Euroboden, wollte hier mit Arno Brandlhuber bauen – und zwar in einer Form, die den Kritiker Niklas Maak schon von „brasilianisch-französischer Leichtigkeit“ sprechen ließ. Die aber kommt nun doch nicht nach Berlin. Das Projekt wurde in letzter Sekunde abgeblasen.

 

Ein näherer Blick auf den Text von Maak in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung lohnt dennoch. In ihm gelangte der Kritiker nämlich zu dem Gedankenspiel, ob man nicht am Alexanderplatz weitere Investoren sich austoben lassen sollte. Mit den Einnahmen könnte man um die Investoren(t)räume herum verdichtet, heterogen, sozial bauen – also so, wie es das Gegenmodell zum bösen Investor nahelegt.

 

Eine nette Pointe – die aber am Kern unserer Thematik vorbeizielt. Denn sie lässt die Pauschalkategorie „die Investoren“ und die damit einhergehende Pauschalverdammung unangetastet. Wir sollten sie aber antasten. Wir sollten fragen, mit welchen Forderungen man jeden konkreten Investoren sinnvoll konfrontieren kann – und wie. Es stimmt, viele Immobilienunternehmen scheinen in einem a-kulturellen Vakuum zu agieren, in einer Art protokapitalistischer Kuschelzone. Was aber muss geschehen, um sie genau da herauszuholen? Gibt es vielleicht ökonomische Argumente, die gegen jene „trostlosen Investorenträume“ sprechen, die Maak zurecht in luxusbewohnten Berliner Prestige-Anlagen wie dem „Yoo“ oder den „Kronprinzengärten“ erkannt hat? Oder hat das private Kapital mit seiner Tendenz zur Selbstvermehrung tatsächlich zwangsläufig stadtzersetzende Effekte? Was dann implizieren würde, dass nur gegen den Markt und mithilfe staatlicher Bauprogramme so etwas wie architektonisch gehaltvolle Urbanität zu schaffen sei.

 

Fragen wie diese wollen wir mit dieser Debatte anstoßen. Sie soll einen Beitrag leisten zum Verständnis davon, wie wir unsere Städte (weiter-)entwickeln wollen. Und sie soll ein wenig Klarheit schaffen darüber, was wir überhaupt meinen, wenn wir von „Investoren-Architektur“ reden. Denn dass der Begriff unterschiedlich interpretiert werden kann, legt ja schon unsere Einleitungsfrage nahe. Sie deutet auf die Forderung an Investoren hin, sich bewusster mit der eigenen Rolle als massiv den urbanen Raum prägende Akteure auseinanderzusetzen. So verstanden, lässt sich die Frage letztlich auch so formulieren: Wie gelangt mehr urbane Sensibilität ins Zielsystem von Investoren? Und damit mehr Architektur in die „ Investoren-Architektur“?

 

Gastredakteur dieser Debatte ist Dr. Alexander Gutzmer (geb. 1974), Chefredakteur des Architekturmagazins Baumeister und Editorial Director des Münchner Verlagshauses Callwey. Zuvor arbeitete der promovierte Kulturwissenschaftler und Diplom-Kaufmann als Editorial Director bei der Burda Creative Group und war über fünf Jahre lang Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins think:act von Roland Berger Strategy Consultants. Drei Jahre lang berichtete Gutzmer zuvor für die Welt am Sonntag aus London und Berlin. Neben verschiedenen Lehraufträgen schreibt eine Kolumne auf Focus Online und ist Mitglied des Autorennetzwerkes "Achse des Guten".

 

MarySue Barrett / 15.8.2013 / 16:31

Urban Planner, Chicago

Jein ...

Instead of waiting for government to get around to funding new investments in our built environment, cities and regions are exploring new financing tools, including partnerships with private investors. The rules of engagement for this new self-help era are just now being written. As a member of the advisory board to the Chicago Infrastructure Trust—an innovative way to leverage private investment for transformative infrastructure projects—I’ve got a seat at that table in my city. And I intend to use it to ask the questions and shape the answers that will ensure that the Trust’s partnerships unlock job growth and other measurable benefits—including more efficient, functional and aesthetically pleasing architecture—for the city of Chicago.Good, inclusive planning, or the “art of what’s possible,” is what my organization, the Metropolitan Planning Council, works on each day. Plans are powerful; they give voice to and meld the best emerging ideas from the private sector, communities and governments. Places like Chicago that have a strong tradition of developing proactive plans and running with them, while making sure that they evolve, are the places that are succeeding today and will continue to do so.A shared vision is a strong starting point; but we can only attract investors with ideas that meet their profit needs. Traditional tax-exempt municipal financing remains attractive to investors. And why not? The public sector assumes all the risk. Sometimes that works out well, but if costs come in higher or if savings are lower than projected, it's Tom Taxpayer who's on the hook. There are times when higher transactions costs along with transferring a portion of the risk to the private sector is a very smart trade off, such as when government lacks the expertise or the capacity to execute. One of Chicago’s biggest successes in contracting with a private company is a 20-year agreement with JCDecaux SA to install and manage bus shelters and other street furniture. It has generated a new revenue stream for local government and produced attractive and even quirky design on sidewalks that contributes to the city’s vitality and convenience. MarySue Barrett is President of the  Metropolitan Planning Council in Chicago.
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Franziska Eichstädt-Bohlig / 5.8.2013 / 17:21

Stadtplanerin und Politikerin

Nein ...

Nein...Die Frage heisst doch: Brauchen wir mehr Investoren oder mehr BauherrInnen, die ein inhaltliches Nutzungsinteresse an Haus und Grund haben. Der Investorenbegriff wird hier in vielen Beiträgen sehr unterschiedlich gebraucht. Er muss aber sehr wohl von anderen Eigentümerformen unterschieden werden. Das Hauptziel eines Investors ist es, aus eigenem oder eingesammelten Geld mehr Geld zu machen.  Die Immobilie ist oft wichtiges Mittel für diesen Zweck, aber das Gebäude, sein Inhalt und sein Gebrauchswert sind nur soweit interessant, wie aus dem eingesetzten Geld mehr Geld gemacht werden kann.Unter dieser banalen Zielsetzung spriessen an geeigneten und ungeeigneten Orten die beliebten Renditeobjekte aus dem Boden: Einkaufszentren, Hotels, Büros, Luxuswohnungen, Logistikzentren. Manchmal, aber selten hat ein Investor auch eine andere besondere Anlageidee. Architekten und ihre Animationen sind  wichtige Dienstleister für diese Investments.Aber für die Stadtentwicklung, für städtisches Wirtschaftsbürgertum ist diese Anonymisierung von Handel und Eigentum eine immer grössere Bedrohung. Ich wünsche mir mehr authentische Eigentümer, Bauherren und Bauherrinnen, die ihr Leben, Wohnen und Arbeiten mit Haus und Grund und mit dem Gemeinwesen Stadt selbst gestaltend verbinden. Das sollte zumindest wo immer möglich befördert werden und nicht zugunsten globaler Investoren verhindert. 
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Matthias Haber / 5.8.2013 / 15:30

Partner bei Hild und K Architekten

Ja ...

Meiner Meinung nach krankt die Diskussion um Investorenarchitektur am vermeintlichen Gegensatz zwischen renditeorientiertem Bauen und guter Architektur. Ich bin durchaus der Meinung, dass sich beides nicht ausschließen muss. Im Gegenteil: In der Geschichte unseres Büros waren es oft gerade Reglements, die uns dazu angeregt haben, in der Gestaltung eines Gebäudes neue Wege zu gehen.Das „AGFA Hochhauses“ ist hierfür ein gutes Beispiele. Ursprünglich war die Ausführung aller Fassadenteile in Beton geplant. Dass nun ein Teil der Gebäudehaut aus Aluminiumblechen gefertigt wurde, hat zunächst einmal mit der seinerzeit virulenten Wirtschaftskrise zu tun. Der Investor sah sich 2007 nicht mehr in der Lage, den teureren Baustoff zu finanzieren. Den Materialunterschied zwischen dem Betonsockel und dem „Hochhaus“ konnten wir im Rahmen unseres Gesamtkonzeptes so inszenieren, dass er nun eines der Hauptcharakteristika des Gebäudes ausmacht. Die gebogenen, pulverbeschichteten Bleche haben zudem eine ganz besondere Ausstrahlung. Betrachter fragen mich oft, welches Material wir da eigentlich verwendet hätten...  Natürlich ist der kreative Umgang mit derartigen Vorgaben nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich. Und natürlich muss es auch Bauherren – wie etwa die öffentliche Hand – geben, die in ihren Entscheidungen nicht profitorientiert sind. Grundsätzlich aber ist eben auch der Investor, der selbstverständlich seine Ziele am Gewinn ausrichtet, nicht der natürliche Feind der Architekten.
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Alexander Gutzmer / 5.8.2013 / 10:12

Resümee des Gastredakteurs dieser Debatte

Ja ...

Brauchen wir mehr „Investoren-Architektur“, so die provokante und bewusst unterschiedlich deutbare Eingangsfrage dieser BKULT-Runde. Am Ende der Einleitung haben wir die Frage so zugespitzt: Wie gelangt mehr urbane Sensibilität ins Zielsystem von Investoren – und damit mehr Architektur in die „ Investoren-Architektur“? Den Anfang machte ein klar investorenfreundlicher Christoph Ingenhoven. Sein Argument: Investoren bauen nachhaltiger, schließlich wollen sie ihre Objekte unter nicht immer vorhersagbaren Marktbedingungen gewinnträchtig vermarkten. Eine Position, mit der Ursula Baus nicht einverstanden war. Ihr sind Bauherren, die für sich selber bauen, lieber: „Herr Ingenhoven, besuchen Sie mal ein Treffen der ‚Entscheider der Immobilienwirtschaft’: Kaum einer der dort anwesenden Personen hat je gesehen, geschweige denn genutzt, was er alles finanziert hat.“ Eine Haltung, die von der Kuratorin Kristien Ring Unterstützung erfuhr: „Wir brauchen ‚self users’: Investoren die selbst in die Häuser einziehen die sie bauen.“ Damit sind alternative Investorenmodelle angesprochen. Gegenüber klassischen Investoren hingegen ist das Misstrauen groß. Wolfgang Kil schrieb: „Um individuelle Wertvorstellungen harmonisch, womöglich gar in Gestalt eines Gesamtkunstwerks, zu binden, hatten sich frühere Gesellschaften auf den ‚Staat’ als Regularienaufsicht geeinigt. Wer das heute nicht mehr will, muss ... sich mit der Kakophonie kraftvoll artikulierter Einzelinteressen abfinden.“ Eine Kakophonie, mit der der Journalist David Harnasch wiederum kein Problem hat. Er schreibt: Manhattan hätte es nie gegeben, „hätten die Spekulanten seit dem Jahr 1811 die Insel von "Investorenarchitektur" verschont. Ein Argument, das Werner Frosch von Henning Larsen Architects weitertreibt: „In München gibt es sehr beliebte Stadtteile, Schwabing, Maxvorstadt oder Haidhausen, die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entstanden. Auch deren Gebäude sind Investorenarchitektur.“ Das sieht auch der Architekt Florian Fischer so. Er sagt aber auch: In den Gründerzeitvierteln kommt es gerade nicht auf das einzelne Haus an, sondern auf den Stadt(bau)körper als Ganzen. Das gilt heute so nicht mehr. Daher Fischers Forderung: „Es geht darum, dass die öffentliche Hand einen präzise verabredeten Rahmen setzt, ein planerisches, zunächst virtuelles Gefäß entwirft, in das die dann gerne auch sehr durchschnittliche Investorenarchitektur hineinwächst. Das heißt umgekehrt aber, dass die öffentliche Hand und somit die Stadtgesellschaft ... eine klare Vorstellung von der Stadt hat, die so entstehen soll.“ Das ist wohl das wichtigste Argument dieser Debatte: Wir müssen präzise Vorstellungen davon entwickeln, wie wir unsere Städte gestalten wollen. Dabei müssen wir diejenigen einbeziehen, die eben oft das Geld für neue Entwicklungen liefern. In diesem Sinn ist auch mein abschließendes Statement als Gastredakteur dieser BKULT-Debatte zu verstehen, dass wir natürlich mehr Investoren-Architektur brauchen: Wir brauchen Investoren, die sich in Sachen Architektur und Stadtentwicklung nicht aus der Verantwortung stehlen oder abstrakte Marktmechanismen vorschieben, wenn sie fade Einheitsbauten abliefern. Es wäre naiv, sich eine Welt ohne Investoren zu wünschen oder eine Innenstadt ohne Bürokomplexe. Aber wir müssen die Geldgeber fordern. Insofern wird es nicht anders gehen, als dass Politiker, Stadtplaner, Architekten und die Öffentlichkeit im Dialog mit den Investoren Vorstellungen für lebenswerte Städte entwickeln. Für solche Dialoge ist die BKULT-Plattform da. Von daher ist es schade, dass die vielen von uns angesprochenen Investoren sich unserer Diskussion entzogen haben. Auch Unternehmen, die sich sonst gerne Qualitätsarchitektur auf die Fahnen schreiben, hüllten sich lieber in Schweigen. Damit haben die Investoren eine Chance vertan – und zugleich bewiesen, dass sie in Sachen offener Kommunikation noch ganz am Anfang stehen.
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FRIZZ23 / 31.7.2013 / 11:31

Jein ...

FRIZZ23Berlin-Kreuzbergs Baugruppe für kulturelles Gewerbe Als Beispiel für eine neugedachte Form der Zusammenarbeit und die Einbettung in Verfahren von Architekten und Investoren kann das Projekt FRIZZ23 herangezogen werden. Im Rahmen einer Konzeptvergabe des Landes Berlin, welche modellhaft für die neue Liegenschaftspolitik gilt, hat eine Projektgruppe aus Selbstnutzern, Architekten und Investoren den Zuschlag für ein Grundstück direkt am ehemaligen Blumengroßmarkt, jetzt Akademie des Jüdischen Museums, erhalten. Das Nutzungskonzept von FRIZZ23 umfasst Wohnen, Kunst, Kreativwirtschaft, Bildung, Gastronomie und Einzelhandel. Darüber hinaus gibt es Kommittments zu einer öffentlichen Projekthalle und einem gemeinsamen Roomsharing, welches die gemeinschaftliche Nutzung von Terrassen wie auch Innenräumen umfasst und zur Nachbarschaft geöffnet wird. Eingebettet ist das Projekt in einen Partizipationsprozess mit AnwohnerInnen und ExpertInnen, aus welchem das Standortkonzept eines Kunst- und Kreativquartiers hervorgegangen war. Dieser Partizipationsprozess wird weitergeführt gemeinsam mit zwei Projekten auf Nachbargrundstücken und einem lokalem Netzwerk.  Das Architekturbüro Deadline ist Projektentwickler, Selbstnutzer und Investor, sowie Architekt für FRIZZ23. Im Laufe der Ausschreibung wurden verschiedene Finanzierungsstrategien und Hauskonzepte durchgespielt. Dies hat letztlich zu einer sehr offenen Projektentwicklung geführt, die nicht Produkte des Immobilienmarktes hervorzubringen beabsichtigt, sondern die offen ist für Impulse von Neueinsteigern. Die noch wachsende Projektgruppe umfasst bisher Wohnateliers und Kreativwirtschaft ab 50 QM, einen sozialen Träger mit 200 QM, eine KiTa mit 300 QM, temporäres Wohnen mit 700 QM und einen Träger für Berufsbildung mit 1000 QM. Alle Projektbeteiligten sind Nutzer und Investoren zugleich.  Die Architektur ist sowohl Ausdruck einer stadtplanerischen Haltung von Deadline, welche die aneignungsfähigen Lücken in der Stadt als Ressource betrachtet,  als auch das Resultat eines intensiven Dialogs innerhalb der stetig wachsenden Bauherrengemeinschaft. Aktuell befindet sich das Projekt in der zweiten Phase eines qualifizierenden Verfahrens zur Architektur. Gemeinsam mit den Projekten auf den Nachbargrundstücken wurde erreicht, dass mit Bezirk, Senatsverwaltung, Experten und Anwohnern ein qualifizierendes Verfahren statt eines Wettbewerbs durchgeführt wird.Mehr Infos unter www.frizz23.com   
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Florian Schmidt / 31.7.2013 / 10:44

Stadtsoziologe, Berlin und Barcelona

Nein ...

Die gesellschaftliche Rolle von Architekten ist im Kern das Entwerfen von Gebäuden. Der Architekt hat seine Arbeit gut gemacht, wenn das Gebäude funktioniert, je länger, umso besser, und zwar hinsichtlich seiner Nutzbarkeit. Die ästhetische Akzeptanz ist nur eine Facette dieser Nutzbarkeit. Aus soziologischer Sicht ist in marktwirtschaftlich geprägten Gesellschaften die finanzielle Nutzbarkeit aber weitaus wichtiger. Ein Gebäude, das keinen stabilen finanziellen Wert hat, also am Markt zurück bleibt oder gar aus diesem ausscheidet, erfüllt seine Funktion als Glied in einer Kette von permanenten Warentransaktionen nicht. Die Funktion des Investors ist es, diese Markttauglichkeit von Gebäuden zu sichern, bis die Kosten eines Gebäudes eingespielt sind. Das ihm anvertraute Geld muss mindestens die übliche Rendite einbringen.Die okzidentale Gesellschaft wird neuerdings stark von einer symbolischen und kreativen Ökonomie geprägt. Darin ist  der ästhetische Nutzen von Gebäuden und Gegenständen von großer Bedeutung. Die Architekten sind Zauberer und Schöpfer dieser symbolischen und kreativen Ökonomie geworden: Sie schaffen Gebäude, die, wenn alles gut geht, kulturell konsumiert werden. Das Einfordern künstlerisch-architektonischer Autonomie entlang endsprechender Diskurse, wie auch der gesellschaftlichen Relevanz des architektonischen Schaffens, sind dabei weit weniger für das System Gesellschaft von Bedeutung, als für das System Architektur. Stets gilt es, nicht ohne ökonomische Konsequenzen für die betroffenen Architekten, die Avantgarde der Gegenwartsarchitektur auszuloten. Der Begriff Baukultur ist übrigens eine altmodische Chiffre für den Autonomieanspruch des Systems Architektur.Investoren haben die Möglichkeit, jene Diskurse einfach zu ignorieren bzw. in Form von Wettbewerben über sich ergehen zu lassen. Heraus kommt etwas, das allgemein „Investorenarchitektur“ genannt wird: langweilig oder kitschig, halbwegs funktional, renditesichernd. Ignorieren können Investoren die Architekturdiskurse deshalb, weil sie genau wissen, was der Immobilienmarkt braucht. Oder Sie erkennen entsprechend der Spezifik eines Projektes einen ökonomischen Mehrwert jener Diskurse. Dann lassen sie Gebäude entwerfen, die marketingwirksam in den Diskurs eintreten. Stararchitekten-Architektur ist insofern nur eine andere Spielart von Investorenarchitektur.Eine wichtige Einbettung des Duos Investor-Architekt ist die juristische, insbesondere die baurechtliche. Der Staat versucht den reinen Verwertungsimpuls des Investors in städtebaulich geordnete Bahnen zu lenken. Dabei bleibt er in der Regel handzahm und nicht selten taucht in der öffentlichen Debatte lediglich die Frage der Fassadengestaltung an die Oberfläche – die Symbolökonomie lässt grüßen.Die gebräuchlichen Stellschrauben zur Einflussnahme auf den Output, welchen das Duo Investor-Architekt liefert, sind B-Planverfahren und städtebauliche Verträge. Nutzungskonzepte, die Anteile öffentlichen Raums und die Finanzierung von Wohnfolgeeinrichtungen werden ausgehandelt. Manchmal darf die Bevölkerung mitreden, manchmal gibt es architektonische oder städtebauliche Wettbewerbe zur „Qualitätssicherung“ und manchmal gibt es etwas mehr BGF für sozialverträgliche Mieten dazu. Dies sind baurechtliche Einbettungen, welche jedoch wenig an den Grundparametern der Systeme ändern, der funktional-immobilienwirtschaftlichen und der diskursiv-architektonischen.Andere Formen der Einbettung sind u.a. eigentumsrechtliche, steuerrechtliche und finanzierungstechnische. Hier sanft einzugreifen kann die Parameter massiv verändern. Eigentumsrechtlich kann die Vermarktung von Grundeigentum z.B. durch Konzeptvergabeverfahren und/oder Erbbauregime für Grundstücke so verändert werden, dass die langfristige Funktionalität von Gebäuden auf andere gesellschaftliche Bedürfnisse reagieren muss. Ein „return on investment“ wird damit in keiner Weise ausgeschlossen. So können Konzepte der Nutzung von Grundstücken, inklusive demokratischer und gemeinschaftlicher Strukturen, präzise definiert werden. Steuerrechtlich könnten Anreize geschaffen werden für günstiges aber nachhaltiges Bauen, wie auch für sozial vielfältige und sozialräumlich orientierte Gebäude. Auch durch Sonderkredite für Projekte mit diesen und andere Qualitäten könnte kann die reine Marktsteuerung entschärfen.Natürlich gibt es eine Menge Projekte, die zeigen, dass es jetzt schon anders geht. Staatliche Projekte oder „Do It Yourself Projekte“ bei denen neben der normalen Funktionalität eine besondere, selbstauferlegte Zielstellung gegeben ist, zeigen bereits jetzt, dass andere Gebäude möglich sind. Die Selbstunterwerfung unter renditehemmende Ziele kann jedoch von der Masse der Inverstoren und Eigentümer von Grund und Boden nicht erwartet werden. Daher braucht es externe Steuerung.Investorenarchitektur, so mein Fazit, ist das Resultat der Einbettung in Immobilienmärkte, die auf den Warencharakter von Gebäuden und Grundstücken ausgerichtet sind, manchmal in Kombination mit Architekturdiskursen als symbolischem Mehrwert. Die Stellschrauben für die Beeinflussung der Arbeit von Investoren und Architekten, um auch nichtmarktfähige gesellschaftliche Bedürfnissen Raum zu geben – und zwar über selbstinitiierte und finanzierte Projekte statt über staatliche Bauprogramme, liegen außerhalb ihrer selbst. Die Spielregeln zu verändern, kann nur durch ein Überdenken und Neujustieren von Steuerungsmechanismen gelingen, die vor allem  außerhalb des Baurechtes liegen. Damit, dass die Debatte über diese Neujustierung in den Architekturdiskurs bereits eindringt, ist schon etwas gewonnen –  das Neudenken muss jedoch in der Gesellschaft seinen wesentlichen Rückhalt finden und von der Politik umgesetzt werden. Florian Schmidt (geb. 1975) ist Stadtsoziologe, Projektentwickler, Netzwerker und Aktivist. 2011 gründete er die „Initiative Stadt Neudenken“. Er leitet er das „Projektbüro Kreativquartier Südliche Friedrichstadt“ und ist Mitinhaber des Stadtentwicklungsbüros „Urbanitas Berlin Barcelona“. Florian Schmidt ist Koordinator des AK nachhaltige Stadtentwicklung des Bildungswerk Berlin der Heinrich Böll Stiftung, Mitglied im Creative Bord Friedrichshain-Kreuzberg und im Steuerungsausschuss des „Stadtgespräch Berlin“.
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Calle Petzinka / 29.7.2013 / 11:08

Architekt, Düsseldorf

Nein ...

Eine Investorenarchitektur ist so gut wie der Architekt, der sie produziert. Reden wir von guten Architekten, dann ist ein „Mehr“ an Investorenarchitektur absolut gewünscht!Die Realität zeichnet aber folgendes Bild:Eine Gesellschaft, die von Computern, Excel-Listen und Renditen getrieben ist, produziert leider auch ihr gebautes Abbild. Schnelles Geld ist gutes Geld, und so sieht sie dann aus, die Investorenarchitektur. Es gibt keine übergeordnete Idee mehr, nach der eine Gesellschaft baut. Es fehlt der Stolz auf Vergangenheit und Gegenwart, um für die Zukunft Meilensteine zu setzen. Emotionen scheinen verpönt zu sein, und ein öffentlicher konstruktiver Streit um die Sache ist aus Zeit und Geldgründen nicht erwünscht. So zieht alles seine Kreise, bis in die Genehmigungsinstanzen. Hier prägt neben Mittelmäßigkeit das oben Genannte in gleicher Weise, schlimmer noch die emotionale Gleichgültigkeit.Deshalb sage ich: Wir brauchen auf gar keinen Fall mehr Investorenarchitektur. Es fängt an bei den unerträglichen Geschmacksverwirrungen der „Einfamilienhaus-glücklich-sein-Siedlungen“. Wer baut so etwas, wer findet so etwas gut? Da liegt der erste Irrtum: mehr als uns lieb sind. Da wohnen sie alle, der Querschnitt unserer Gesellschaft. Wen wundert es, dass dieser dann auch seine Blüten im Großen treibt.Investieren heißt nichts anderes, als Kapital langfristig in Sachgütern anzulegen. Kaufen und verkaufen heißt nichts anderes, als schnell einen gewissen „Einfaltspinsel“ zu finden, der selbst wiederum keine anderen Maßstäbe besitzt, als daraus wieder vermeintlich schnell weiteres Geld zu erzeugen. Damit muss man leben, solange eine Gesellschaft dieses Modell als Erfolgsmodell anerkennt.Ein weiteres Problem sind die mittelmäßig ausgebildeten und emotional vollkommen zurückentwickelten Fachbeamten der Behörden, die als Juristen Herzblut, Wagnis und Risiko ausblenden.Als letztes bleibt die „Angst“, mit Vorschlägen, die vielleicht sogar strittig sind, im demokratischen Überzeugungsprocedere für die Sache einzutreten und im Zweifel zu versagen.Alles in allem habe ich daraus Konsequenzen gezogen: Ich baue nur noch mit und für einen Kreis privater Geldgeber, die das Ziel haben, langfristig zu investieren, emotionale Entwürfe durchzukämpfen, das mitteleuropäische Modell der Stadt als Zielvorgabe weiter zu entwickeln und im Übrigen für die eigenen Entwürfe und Objekte in der Öffentlichkeit aus- und einzutreten. Dieses Modell ist mein Erfolgsmodell.Ein Vorschlag, den ich als Regulativ für eine Planungsentscheidung mache:Eine Stadt in Gestaltungskreise A, B, C, D, E zu teilen. In allen Kreisen gibt es definierte Planungsvorgaben, die einzuhalten sind. Wenn dann noch eine individuelle Gestaltungsnote hinzukommt, wird Gutes von weniger Gutem unterschieden. Im anspruchsvollsten Gestaltungskreis gibt es nur im Wettbewerb Entscheidungen. So wird vielleicht aus dem ungeübten Investor ein guter Investor und vielleicht aus einem schlechten Architekten auch ein besserer Architekt.Letztlich wird vielleicht auch die Gesellschaft erkennen, dass es Ansprüche gibt, die unkommentiert erst für übermorgen ihre Wirkung entfalten.Jahrhundertelang hat das europäische Stadtbild nur deswegen überlebt, weil die Menschen sich an diese Regeln gehalten haben. Heute meint der Bürgerstolz, demokratisch eingreifen zu müssen und hat leider vergessen warum. Calle Petzinka begann seinen Architektenweg im Büro von Oswald Mathias Ungers in Köln. Anschließend prägte er im Rahmen seiner Selbständigkeit im Büro Petzinka Pink Architekten technologische Architektur - eine eigene Richtung gebauter nachhaltiger Architekturen. Das Stadttor in Düsseldorf, die Landesvertretung NRW in Berlin und die CDU Parteizentrale in Berlin sind bekannte Repräsentanten dieser Richtung. 8 Jahre leitete Herr Petzinka als Vorsitzender eine der größten Wohnungsbaugesellschaften Deutschlands mit mehr als 75.000 Wohnungen. In jüngster Zeit ist Herr Petzinka Teil eines Netzwerkes von kreativen, privaten Investoren und international handelnden Partnern. Akademisch hat Herr Petzinka an der TU in Darmstadt technologisches Entwerfen unterrichtet. Seit 5 Jahren lehrt er an der Kunstakademie in Düsseldorf die Klasse Baukunst, seit 3 Jahren lehrt Herr Petzinka auch an der Valdivia Universidad Austral de Chile Wohnungsbau. 
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Kristien Ring / 26.7.2013 / 14:21

Architektin, Kuratorin und Publizistin, Berlin

Ja ...

Wir brauchen „self users“: Investoren die selbst in die Häuser einziehen die sie bauen. Bei der Entwicklung eigeninitiierter Projekte spielt im Gegensatz zu Investorenprojekten Gewinn- bzw. Renditeorientierung nicht die zentrale Rolle. Weil die Flächen dauerhaft für den Eigengebrauch genutzt werden, wird langfristig bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum in der Innenstadt gesichert und selbstverwaltet. Selbstinitiierte Projekte wie Baugruppen und Genossenschaften demonstrieren welche Qualität zum welchen Preis möglich ist. Dabei sind selbstinitiierte Projekte inklusive, förderlich für das soziale Miteinander und auch die Interaktion in der Nachbarschaft –Sie tragen positiv zur Stadtkultur bei.  Ein Projekt so zu organisieren, dass echte Beteiligung der Bauherren auf vielen Ebenen möglich ist und gleichzeitig ein stimmiges Architekturkonzept entsteht, ist eine große Herausforderung für die Architekturprofession – die Rolle und das Berufsbild des Architekten werden neu definiert. Die Prozesse sind in jeder Gruppe anders und müssen für jedes Projekt neu festgelegt werden. Aber nur so können wirklich gute Investitionen im Sinne einer lebendigen und zukunftsfähigen Stadtentwicklung getätigt werden.  Kristien Ring hat an der North Carolina State University sowie an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee Architektur studiert. Sie ist Gründerin von AA PROJECTS (2011) die interdisziplinäre Projekte zu zukunftsweisenden Themen im Bereich Architektur und urbaner Raumplanung konzipieren und realisieren und ist von der Bundesstiftung Baukultur mit der Programmgestaltung und Themenentwicklung beauftragt. Ausserdem ist sie Herausgeberin und Autorin von „SELF MADE CITY Berlin, Stadtgestaltung und Wohnprojekte in Eigeninitiative“ 2013 in Jovis Verlag. Von 2005 bis 2011 war Sie Direktorin des DAZ Deutschen Architektur Zentrums in Berlin und davor als Kuratorin und Mitbegründerin der Galerie Suitcasearchitecture in Berlin (2001-2005) tätig.
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Florian Fischer / 24.7.2013 / 10:30

Architekt, München

Jein ...

Eines vorweg: Eigentlich müsste meine Antwort lauten „Es ist (mir) egal, aber“.* Nehmen wir die Gründerzeit. Ließe man an dieser Stelle darüber abstimmen, ob wir gerne noch mehr (erhaltene) Gründerzeitviertel in unseren Städten hätten oder lieber weniger, so erhielten wir als Antwort in allen Städten vermutlich ein 95-prozentiges: Ja, mehr! (Außer vielleicht in Wien – wo bei so viel erhaltener Gründerzeit diese von gar nicht so wenigen für eher langweilig erachtet wird.) Nun weiß man aber, dass die Gründerzeit im besten und reinsten Sinne Investorenarchitektur war – unter den Bedingungen ihrer Zeit natürlich. Warum schätzen wir sie, die wir Investorenarchitektur** so gerne als Synonym für böse und schlechte Architektur benutzen, aber dann? Vielleicht weil es in den Gründerzeitvierteln eben gerade nicht auf das einzelne Haus ankommt, sondern auf den Stadt(bau)körper als Ganzen. Weil das einzelne Haus nicht herausragend, sondern nur solide sein muss und der Rest vom Charme der vergehenden Zeit schon geregelt wird. Und weil aufgrund einfachster (städtebaulicher) Verabredungen ein Maß an Zusammenwirken entsteht, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile. Tja, wird man gleich einwenden, aber die dafür notwendige kleinteilige Parzellierung, die ist ja heute gar nicht mehr möglich – und überhaupt die Geschosshöhen und die Erdgeschosse und die Eingänge und die fehlenden Tiefgarageneinfahrten und die robuste Grundstruktur, und und und ... Ja, aber das sagt ja auch keiner, dass das dann eins zu eins wieder wie die Gründerzeit des 19. Jahrhunderts auszusehen hätte. Ganz im Gegenteil. Es geht einzig und allein darum, dass die öffentliche Hand einen präzise verabredeten Rahmen setzt, ein planerisches, zunächst virtuelles Gefäß entwirft, in das die dann gerne auch sehr durchschnittliche Investorenarchitektur hineinwächst. Das heißt umgekehrt aber, dass die öffentliche Hand und somit die Stadtgesellschaft auch wissen muss, was Sie denn will, und eine klare Vorstellung von der Stadt hat, die so entstehen soll. Gepaart mit dem nötigen Selbstbewusstsein und vielleicht auch mit ein paar besseren Juristen auf Seiten der Städte sollte es durchaus möglich sein, die entsprechenden Forderungen dann auch durchzusetzen. Denn eins ist sicher – niemand ist so anpassungsfähig, um nicht zu sagen opportunistisch wie ein Investor – der will ja schließlich Geld verdienen! Wenn dieses ideale Gefäß aber aussieht wie beispielsweise eines der Münchner Neubauviertel, wie das Areal am Hirschgarten oder das an der Arnulfstraße etwa, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn man Viertel wie jene am Hirschgarten oder an der Arnulfstraße erhält. Und um es mit einem (erfundenen) Zitat, das ich gerne posthum Theodor Fischer zuschreiben würde, zu sagen: „Jede Stadt bekommt die Häuser, die sie verdient!“ (Investoren hin oder her.) Meine genauere Antwort also: Mir egal, wenn der Rahmen stimmt! * Tocotronic, 4. Album, Hamburg, 1997** Nur noch übertroffen im Übrigen vom Schimpfwort „Investorenarchitekt“ – wobei dieses Urteil erstaunlich oft ins Schwarze trifft. Sorry, Herr Ingenhoven!  Florian Fischer, geboren 1977 in Landshut ist selbständiger Architekt im Büro Fischer Multerer Architekten in München.
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Dieter Hoffmann-Axthelm / 23.7.2013 / 9:46

Architekturkritiker, Berlin

Jein ...

Ich antworte eher ausweichend. Zuerst: Warum diskutiert man nicht erst einmal den interessanten Vorschlag von Maak? Ein derartiges Verfahren wäre ja politisch wie planerisch voraussetzungsreich genug. Denn natürlich ginge das, ohne daß man die Gier des Marktes oder den Kapitalismus als solchen als Gespenster herbeizitieren müßte. Es ginge, weil das Verfahren ja nicht darauf hinaus liefe, den Investoren relevante Teile ihres Profits abzuknöpfen, sondern die kommunale oder staatliche Liegenschaftspolitik zu überdenken. D.h. Es müßte politisch gewollt sein, Veräußerungsgewinne in hochpreisigen Lagen in gefährdete Lage zu investieren, um dort die sozialen Strukturen zu halten.Was mir in erster Linie mißfällt, ist also dies: daß die Fragestellung sofort in einen größeren Rahmen überführt ist, der so groß ist und so unpräzise bzw. falsch formuliert, daß die Beantwortung entweder eine Zumutung wird, was sich bei dem gewählten Verfahren, Statements für eine Internetseite einzusammeln verbietet, oder aber zu ihrerseits schiefen Antworten führt (am einfachsten: geht nicht). Wenn einerseits Markt/Investoren – was bzw. wer andererseits? Alle Gutmeinenden? Die Architekten? Wer sonst? Wenn man schon dichotomisch denken will, dann muß man wenigstens die Interessen der gegenüberstehenden Partei auch formulieren.Was im übrigen eine selbstbewußte kommunale Politik den Investoren abringen könnte, wäre ohnehin nur praktisch und von Fall zu Fall herauszubekommen, da es neben Fachkenntnis und gutem Willen eben auch von lokalen und konjunkturellen Bedingungen abhängt, von Kreditlaufzeiten, erzielbaren Mieten usw.Um zum Zielpunkt meines Mißvergnügens zu kommen: Am meisten mißfällt mir, daß man das Thema, wenn man es schon so groß macht, dann gleich wieder zuschüttet mit der völlig verqueren Frage nach „architektonisch gehaltvoller Qualität“. Als wäre das übrige ein Pappenstiel und nur dazu da, der (welcher????) Baukultur zu dienen. So geht es nicht. Wenn man so große Fragen stellt, an denen sich Generationen schon die Zähne ausgebissen haben, dann sollte die erste Regel sein, Architektur, Architektenbegehrlichkeiten und -streitigkeiten draußen zu lassen.Dieter Hoffmann-Axthelm, geboren 1940 in Berlin, ist freiberuflicher Theologe, Architekturkritiker und Stadtplaner. Er war Redaktionmitglied bei Arch+ und ist Mitherausgeber von „Ästhetik und Kommunikation“. 1996 bis 1999 beteiligte er sich am „Planwerk Innenstadt Berlin“ des Historischen Zentrums. Seine Themenschwerpunkte liegen heute u.a. in der kommunalen Selbstverwaltung, Flächenpolitik und Kommunalfinanzen.  Er erhielt den Kritikerpreis des BDA und ist Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande.
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Markus Erich-Delattre / 21.7.2013 / 20:32

Jein ...

Mit Unverständnis, ja Verärgerung habe ich (Architekturnutzer) in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 30.12.12 den Beitrag von Arno Brandlhuber gelesen. Sinngemäß sagte Arno Brandlhuber, dass die - gebaute - Meinung anderer Fachkollegen als Müll zu "entsorgen" sei. Pardon, so nicht: Bis heute sind insbesondere in Deutschland die Architekten; Planer in (feindliche) Lager gespalten. Wie können überkommene Freund- oder Feindbilder überwunden werden? Wie kann eine intelligent verhandelte Baukultur Tradition und Moderne wieder miteinander versöhnen? Meiner Auffassung nach braucht diese Debatte mehr Brückenbauer - Beiträge u.a. von Dieter Bartetzko ("FAZ"); Gerhard Matzig ("Süddeutsche"), Gert Kähler, Florian Mausbach (Stadtplaner) Stephan Braunfels (Architekt) oder Christoph Mäckler (Architekt)... -  und weniger Provokateure. Markus Erich-Delattre, SPD-Altona, u.a. Mitglied der AG Beteiligung "Zukunftsplan, Mehr Altona" 
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Sergei Tchoban / 21.7.2013 / 20:30

Architekt, Berlin

Ja ...

... wir brauchen mehr Architektur von Investoren oder mehr Bauherren-Architektur. Investoren-Architektur ist tatsächlich zum Begriff für detaillose, pappige, nur auf Gewinn - unabhängig von der Qualität des Endergebnisses - orientierte anonyme Bautätigkeit geworden.Warum? Aus meiner Sicht ist es ganz einfach: Das qualitätsvolle Bauen ist zu teuer geworden! Warum das? Weil die handwerkliche Qualität sich zurückentwickelt hat und an deren Stelle der falsch verstandene Minimalismus zum willkommenen Platzhalter für viele an Rendite orientierte Bauten geworden ist.Einige Male hatte ich folgende Erfahrung gemacht: eine nicht unbekannte Baufirma hat sich intensiv bei mir beworben und sogar versucht ihre größte Erfahrung mit komplizierten Details darzustellen. Bei einer konkreten Bauaufgabe, die an sie übertragen wurde, war plötzlich jedes einigermaßen anspruchsvolle Detail unmöglich, das sogar trotz der eindeutigen Ausschreibungs- und Vergabeanforderungen. Die Firma hat sich regelrecht geweigert, die Details, die noch vor 90-100 Jahren eine Selbstverständlichkeit waren, zu verarbeiten. Der Grund sei, dass weder Handwerker noch Zeit noch Geld dafür vorhanden seien!Im nichteuropäischen Ausland fehlen häufig die qualitätsvollen eigenen Baumaterialien, viele Erzeugnisse werden aus Westeuropa importiert. Das macht das Problem um die handwerkliche Qualität der Architektur noch größer und die Investoren-Architektur noch unerträglicher.Also die Formel der Investoren-Architektur lautet „fehlende handwerkliche Qualität + gleichgültige, anonyme Haltung der Investoren“.Was man braucht, sind die echten ambitionierten Bauherren-Persönlichkeiten, die zusammen mit den Architekten die handwerkliche Qualität der gut detaillierten Architektur abverlangen, diese optimieren und damit auch preiswerter machen - aber nicht durch unrealistische Baubudgetziele und erzwungene Dumpingpreise und damit die verbundene Lustlosigkeit und den Qualitätsverlust bei den Baufirmen zu unterstützen. Sergei Tchoban, geb. 1962 in Sankt Petersburg, studierte Architektur an der Kunstakademie seiner Heimatstadt. Er trat 1992 nach seiner Übersiedlung aus Russland in das Hamburger Büro nps Architekten BDA ein und steht seit 1996 als geschäftsführender Partner der Berliner Niederlassung von nps tchoban voss vor. 2006 gründete er das Studio SPEECH Tchoban & Kuznetsov in Moskau. Die Ende 2009 ins Leben gerufene Berliner Tchoban Foundation – Museum für Architekturzeichnung mit ihrer umfangreichen Sammlung eigener und bedeutender historischer Grafiken hat zum Ziel, das Interesse an der klassischen Architekturdarstellung zu beleben und Talente zu fördern.
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Volker Eich / 20.7.2013 / 21:01

Strategiekreis Architekten Business Design, Berlin

Ja ...

Natürlich brauchen wir Investoren-Architektur, denn überall wo gebaut wird, gibt es einen Investor, der das Bauwerk bezahlt. Die Diskussion um die sogenannte Investoren-Architektur muss zwangsläufig in die Irre führen, wenn in der Fragestellung selbst bereits zwischen den Zeilen ein zutiefst abwertendes Vorurteil gegenüber Investoren mitschwingt. Warum ist zum Beispiel unter den hier geladenen Kommentatoren kein einziger der sogenannten Investoren zu finden? Wäre es nicht interessant, die Gedanken derjenigen, um die es hier geht, in diese Debatte einzubeziehen?Der Investor scheint in der Gedankenwelt vieler Menschen, insbesondere wenn sie Architekten sind, „der Böse“ zu sein, während die Architekten selbst „die Guten“ sind. Das klingt verdächtig. In der Psychologie spricht man in diesem Fall von einer Projektion. Das was man bei sich selbst nicht sehen kann – zB die Macht, die Umwelt nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten – wird auf ein Gegenüber projiziert, das man als Widersacher empfindet.Solange wir in einer solchen Denkfigur gefangen sind, ist es unwahrscheinlich, dass sich die Architekturschaffenden und ihre Geldgeber einander annähern um zu einem Konsens darüber zu finden, wie sie einen gemeinsamen (!) Beitrag zu einer besseren Welt erschaffen können. Ein gemeinsames Verständnis von sogenannter guter Architektur, die ästhetisch ansprechend und gleichzeitig profitabel ist, die das Leben in der Umgebung des jeweiligen Bauwerks bereichert und stimuliert, wird erst möglich, wenn wir unser Denken von Generalisierungen wie "der Investor", "der Architekt", "der Bauherr", "der Nutzer" etc. befreien, denn das wirkliche Leben stellt sich sehr viel differenzierter dar."Den Investor" gibt es genau so wenig wie "den Architekten". Es macht einen großen Unterschied, ob ein Investor selbst Bauherr und Nutzer ist oder ob er eben nur das Geld gibt und jenseits seiner Gewinnerwartung keine anderen WERTE verfolgt. Es macht einen Unterschied, ob ein privater Häuslebauer einmal im Leben baut, oder ob ein gewerblicher Global Player kontinuierlich Umsätze in Milliardenhöhe erwirtschaftet. Das Bild vom bösen Investor zerfällt in seine Einzelteile, sobald wir uns vergegenwärtigen, dass es in der Welt der Investoren unendlich vielfältige Zielgruppen gibt, die jeweils ganz unterschiedliche Werte favorisieren und die ganz unterschiedliche Qualitätsbegriffe haben.Wir verwenden den Qualitätsbegriff meist in einer Weise, der einer kritischen Betrachtung nicht standhält. Wir glauben, es handle sich um eine objektive Kategorie. In Wirklichkeit ist Qualität aber relativ. Ob etwas Qualität hat oder nicht, hängt vom jeweiligen Kontext ab und von den Werten, die in dem jeweiligen Kontext favorisiert werden. Ob ich etwas als qualitätvoll ansehe, hängt einzig und allein davon ab, ob es meine eigenen subjektiven Erwartungen erfüllt oder gar übertrifft.Unter Architekten ist es üblich, die Qualität ihrer Arbeit allein nach ihren eigenen Qualitätsmaßstäben zu bewerten. Das hat eine gewisse Berechtigung. Auch in der Musik werden die Standards oft allein von Musikern gesetzt. In vielen Fällen ist aber auch der Produzent (Investor) derjenige, der den Sound kreiert. Wer also seine eigene Definition von Qualität zum Maß aller Dinge erhebt, schließt damit „den Investor“ aus. (Investoren-) Architektur kann nur dann gut sein, wenn sie den gemeinsamen (!) Werten von Architekt, Investor und Publikum entspricht. Aber was sind diese gemeinsamen Werte?Was immer die Werte sein mögen, der springende Punkt ist der Gleichklang der Werte aller Beteiligten. Für jeden Architekten, der Investoren für die Architektur begeistern möchte, ist es naheliegend eine Community von Kunden um sich zu versammeln, die seine eigenen Werte teilen. Ich gebe zu, dass sich eine solche Community nicht über Nacht aus dem Hut zaubern lässt. Aber wenn Sie Architekt sind, werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen, dass es sich lohnt, sich auf die eigenen Werte zu besinnen und die eigene Macht zurück zu gewinnen. Stimmt’s? Volker Eich, wurde 1954 in Köln geboren. Er lebt in Berlin und hat von 1982 - 1998 als Architekt gearbeitet. Seit 1998 arbeitet er als Strategieberater für Architekten. 2006 hat er die Unternehmerwerkstatt StrategiekreisArchitekten ins Leben gerufen. 2013 hat er DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN publiziert. WWW.STATEGIEKREIS-ARCHITEKTEN.DEVolker Eich: Selbstbild, Venezia (2009) aus DAS STRATEGIEBUCH FÜR ARCHITEKTEN 
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Christoph Roedig / 20.7.2013 / 9:48

Architekt, Berlin

Nein ...

Nein, oder besser gesagt: Wenn schon, dann bitte mit Sahne.Denn wir brauchen Investoren. Irgendwer muss sich um das Geld kümmern und ein Projekt auf die Beine stellen, muss ein Investitionsrisiko übernehmen und dafür auch entlohnt werden. Die gegenwärtige Investorenarchitektur sieht meist scheußlich aus und das liegt daran, dass geeignete Instrumente zu ihrer Steuerung fehlen.Natürlich gibt es Wettbewerbe, B-Pläne mit Beteiligung der Öffentlichkeit, den Paragrafen 34, der besagt, ein Gebäude habe sich in die Umgebung einzufügen. Somit sind Wettbewerbe ein Instrument zur Auswahl einer qualitätsvollen Planung und Gestaltung, das die öffentliche Diskussion über Gebäude fördert. Insgesamt haben wir aber zu wenige Wettbewerbe an denen sich alle beteiligen können. Der Qualität der Architektur käme es auch schon zugute, wenn  siegreiche Wettbewerbsbeiträge so wie gewonnen auch umgesetzt würden. Aber dem Entwurf und Wettbewerbsgewinn folgen das VOF Verfahren und die Einsparrunden mit denen „der böse“ Investor qua definitionem seine Gewinnmargen vergrößern und sein Risiko minimieren will. Wenn gespart wird, dann immer an der Gestaltung, denn hierfür gibt es kaum Greifbares.  Ich frage mich schon, warum es Verordnungen zum Einbau von Obentürschließern in Wohnungseingangstüren oder anderen Unsinn gibt, aber keine Lobby für Baukultur. Wir bräuchten ein Sondereinsatzkommando, das im Notfall einschreitet – mit der Lizenz zum Abreißen: Nice try but try again!Selbst die laufende IBA Hamburg ist vom Investorenzwang nicht verschont geblieben. Die Gebäude bleiben weit hinter den gesteckten Zielen oder sind den Architekten gleich aus der Hand genommen worden. Die Zwangsverheiratung der Architekten mit den Investoren hat die Konzepte verwässert.Vielleicht gehört Baukultur eher auf den Kunstmarkt als auf den freien Markt. Hier gelten bekanntlich andere Regeln. Es gibt ein paar wenige Ikonen von sogenannten „Stararchitekten“, die jenseits des Marktes funktionieren. Und es gibt ja auch (wenige) „gute“ Investoren, die ein Bewusstsein für Gestaltung und den öffentlichen Raum jenseits der maximalen Wertschöpfung besitzen. Letzen Endes könnte sich aber doch jeder Investor mit Baukultur, gelungener Gestaltung, guten Räumen und lebendigen Stadträumen ein Kunstwerk schaffen, das seinen Status mehr befördert als ein van Gogh an der Wohnzimmerwand. Denn das private  Wohnzimmer muss ich mir nicht ansehen. Gebäude aber sind Teil des öffentlichen, kollektiven Raums und betreffen somit alle. Niemand kann sich der Gestaltung eines Gebäudes entziehen. Christoph Roedig, geboren 1966 in Düsseldorf, studierte Architektur in Glasgow und Berlin. 2005 gründete er mit Ulrich Schop das Architekturbüro roedig . schop architekten, das schon mehrfach Wettbewerbsgewinne erzielen konnte. Christph Roedig ist außerdem Partner und Gründungsmitglied des IFUH (Institut für urbanen Holzbau), dass sich mit den theoretischen Grundlagen des Wohnens in der Innenstadt mit regenerativen Baustoffen beschäftigt. Deren erstes Bauprojekt mit dem Namen 3xgrün in Berlin Pankow wurde kürzlich fertig gestellt. Im Wettbewerb für die Internationale Bauausstellung in Hamburg 2013 wurde außerdem das freistehende Mehrfamilienhaus „Woodcube“ zur Realisierung ausgewählt.
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Peter Kammer / 19.7.2013 / 16:20

Diplom-Kaufmann, Eigentümer u.a. einer alten, baufälligen Scheune an der Ostsee, die ich unbedingt erhalten möchte.

Nein ...

In einem Europa mit abnehmender Bevölkerung und abnehmenden Flächenbedarf vor allem für Produktion, immer mehr aber auch für Dienstleistung und Bürokratie, stellen sich eine ganz andere Fragen:Welche Gebäude sind es Wert, erhalten zu werden, wie können sie ökologisch sinnvoll erhalten werden und wie können sie verändert werden, um sie einem neuen Zweck dienen zu lassen?Ökologisch bauen bedeutet nicht bauen (siehe auch: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/deutsche-recycling-architektur-auf-der-biennale-in-venedig-a-847242.html )Diese Frage muss ganzheitlich angegangen werden, d.h., es stellen sich wohn-, arbeits- oder gleich lebenskonzeptionelle Fragen. Die Infrastruktur, die Frage baurechtlicher Bestimmungen zum Beispiel der Wärmedämmung, die Verkehrsanbindung, die relativ leichte Veränderbarkeit (Flexibilität zum Beispiel in der Raumaufteilung bei Wohnhäusern) spielen hier eine Rolle. Es ist oft ökologischer, auf ein Ökohaus zu verzichten, wenn dafür ein Altbau abgerissen werden muss, wenn man die Gesamtbilanz betrachtet.Schauen wir uns die sog. Investorenarchitektur an, dann fällt zudem auf, dass sie auf einer kurzfristigen Return-On-Investment-Denkweise basiert. Wie lange soll aber dann ein Gebäude stehen? Im deutschen steuerlichen Abschreibungsrecht werden für gewöhnlich 50 Jahre angesetzt, die Sonderabschreibungen haben in den 1990er Jahren diese Zeit schon um 90% verkürzt.Immobilien heißen Immobilien, weil sie immobil sind und zumindest früher eben nicht für diese kurzfristige Gewinnmaximierung geplant wurden.Zudem führen sie dazu, dass Stadtbilder (und inzwischen auch Fußballstadien) immer identischer aussehen. Gebäude werden zu Massenprodukten, die wir aber - zumidnest in Europa, wie dargelegt - gar nicht nötig haben.Und statt "Rückbaumaßnahmen" sollte doch lieber überlegt werden, wer eventuell wie die Plattenbauten nutzen kann und was dafür zu leisten ist, dass dies funktioniert.
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Werner Frosch / 19.7.2013 / 14:55

Architekt, München / Kopenhagen

Ja ...

Im Grunde ist jedes Bauwerk, sei es ein kleines Einfamilienhaus oder ein Bürokomplex eine Investition. Ein Merkmal des negativ klingenden Begriffs „Investorenarchitektur“ würde ich darin suchen, mit welchem Ziel das Gebäude erschaffen wird. Geht es vordergründig um die Investition von Geld in eine Anlageform, die möglichst kurzfristig hohe Renditen erzielen muss? Dieses Streben nach schnellen Gewinnen ist eine Tendenz, deren Höhepunkt sich in der Finanz- und Immobilienkrise der letzten Jahre auf erschreckende Weise zeigte. Hier wurde in vielen Ländern das Bauen und Investieren in Gebäude zur reinen Spekulation, ungeachtet der Bedeutung der Gebäude für die Gesellschaft, die Umwelt und die Nutzer. Sicher hat dies auch zum negativen Image der „Investors“ beigetragen.  In München gibt es sehr beliebte Stadtteile, Schwabing, Maxvorstadt oder Haidhausen, die in den letzten Jahrzehnen des 19. Jahrhunderts entstanden und bis heute aufgrund der urbanen Qualitäten, aber auch der Qualität der Baumasse, sich höchster Beliebtheit zum Wohnen und Arbeiten erfreuen. Auch diese Gebäude sind Investorenarchitektur. Damals waren die Investoren Gewerbetreibende oder Handwerker, die sich mit dem Kauf oder dem Bau finanziell absichern und ihr Geld langfristig anlegen wollten. Viele dieser Gebäude zeigen einen hohen Anspruch an Qualität, wobei es gar nicht um edle Materialien, sondern vor Allem um einen auf längere Zeiträume gedachten Ansatz geht. Die Gebäude sind oft von einer räumlichen Großzügigkeit, dass darin nach Bedarf Wohnungen, Praxen oder Büros eingerichtet werden können.Diese Gedanken, wir finden sie heute bei flexiblen, anpassungsfähigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Gebäuden und Städten wieder, stellen eine Grundlage für die nachhaltige Entwicklung des Bauens dar. Hier gilt es nicht nur auf die Höhe der Erstinvestition allein zu achten, sondern ebenso auf die Unterhaltskosten, Verbrauchskosten und den Lebenszyklus des Gebäudes bis zum Abriss. Diese Entwicklung wird heute schon getragen von Investoren, die sich Ihrer Verantwortung für die Umwelt und Gesellschaft bewusst sind und danach handeln. Also ein JA zu nachhaltiger Investorenarchitektur!   Werner Frosch hat Architektur an der TU München studiert und arbeitete seit dem Jahr 2000 im Büro Henning Larsen Architects in Kopenhagen. Hier hat er an verschiedenen Projekten in Skandinavien und Deutschland als Architekt und Projektleiter gearbeitet und ein Studium in Ökonomie  und Management (Graduate Diploma of business administration) an der Copenhagen Business School absolviert. Seit 2011 leitet er das Büro von Henning Larsen Architects in München, das derzeit 28 Mitarbeiter beschäftigt und verschiedene Projekte in Deutschland bearbeitet.
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Sven Silcher / 18.7.2013 / 19:07

Architekt, HAmburg

Nein ...

Nein.....Die bisherige Debatte krankt daran, dass sie über eine höchst unklar definierte Bauspezies geführt wird. Weder ist – wenn es um die Architekturqualität (auch so ein schwammiger Begriff) des gebauten Ergebnisses geht – „der Investor“ mit dem Teufel gleichzusetzen noch ist er der Heilsbringer schlechthin. Von Anhängern beider Sichtweisen lesen wir aber Beiträge. Wie meist, so liegt wohl auch hier die Wahrheit in der Mitte. Und, was wir auch schon vorher wussten, und durch die bisherigen Beiträge bestätigt bekommen: Wenn in der Konstellation Investor + Architekt ein Partner schlecht ist, wird das Ergebnis schlecht, wenn auch nur ein Partner Mittelmass darstellt, kommt bestenfalls Mittelmass heraus und erst die Kombination aus Investoren, die wissen, dass durch eine Reihe nicht unmittelbar durch Fläche x Miete ausdrückbarer Faktoren – die zu nutzen möglicherweise auch mehr unternehmerische Courage verlangt – die Rendite oder auch nur die Akzeptanz deutlich höher werden kann, und aus Christoph Ingenhoven, will sagen einem exzellenten Architekten (ich weiß, darüber sind sich dann auch wieder nicht alle einig) bringt ein Ergebnis, das auch einer kritischen Qualitätsdiskussion standhält. Es kommt also immer auf den Einzelfall an.Da nach der Gauß’schen Normalverteilungskurve aber auch bei aller Anstrengung immer nur für deutlich weniger als 10% der Fälle ein Spitzenergebnis zu erwarten sein wird, brauchen wir nicht mehr Investorenarchitektur. Wir brauchen aber auf Seiten aller Beteiligten bessere, qualitätsorientierte Prozesse, angefangen beim Programm, danach durch Architektenwettbewerbe als Regelfall der Vergabe etc. etc.
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Kristin Wellner / 18.7.2013 / 17:15

Professorin für Bauökonomie und Immobilienwirtschaft, Berlin

Jein ...

Ist nicht jedes Gebäude im weitesten Sinne Investorenarchitektur? Denn steht nicht hinter jeder gebauten Immobilie ein Geldgeber = Investor? Es gibt natürlich die unterschiedlichsten Investoren, von Privatpersonen über institutionelle Investoren bis zur öffentlichen Hand. Aber gibt es grundsätzlich gute und schlechte Investoren? Eher nicht!Erst mal müsste in diesem Zusammenhang bzw. bei dieser Verwendung der Begriff „Investor“ geklärt werden. Sind Investoren nur die Geldgeber oder aber auch die Nutzer und Bauherren in einem? Da gibt es in der Praxis die unterschiedlichsten Konstellationen. Und sowohl ein Zusammenfallen der drei Funktionen in einer Person als auch drei oder sogar mehr verschiedene Partner sind hier denkbar. Dann wird es schwer den „Verantwortlichen“ für die misslungene Gestaltung dingfest zu machen. War es der Nutzer, der bestimmte Anforderungen an die Gestaltung hatte, dass es sich im Ergebnis nicht so in das Gesamtgefüge einfügt, waren es bauliche, umsetzungsbedingte Gründe oder Kostengründe, dass das Gebäude so entstanden ist? Oder spielen sogar rechtliche und genehmigungsbehördliche Anforderungen mit hinein, die einzelne Gestaltungsvarianten verhindern? In der öffentlichen Meinung ist schnell ein Schuldiger gefunden, in der Praxis beläuft sich das oft vielschichtig und komplex. Dem Investor allein die Schuld zu geben ist einfach, aber nicht zielführend.Aber was ist Investorenarchitektur? Wer entscheidet, wann eine Gestaltung, ein Gebäude gelungen oder nicht gelungen ist? Ist nicht oft auch damit versteckte Kollegenschelte verbunden, wenn der Entwurf nicht gefällt, denn der Investor steht eigentlich hinter Nutzer und Architekten nur im Hintergrund? Denn jedes Gebäude, auch die hier verdammte „Investorenarchitektur“ hat einen Architekten und braucht einen Nutzer. Warum sollte sich ein Architekt auf „so eine schlechte Architektur“ einlassen? Kann es nicht auch sein, dass es nun mal unterschiedliche Ansprüche und unterschiedliche Geschmäcker gibt. Ein aus Architektensicht – und auch die ist bekanntlich nicht einheitlich – gutes Gebäude muss nicht auch für Nutzer ideal sein. Wie oft gibt es Gebäude die von außen gesehen einen großartigen (ansehnlichen) Entwurf darstellen, dann aber in ihrer Nutzung völlig ineffizient sind und sich nicht an den Anforderungen der künftigen (oft auch im Lebenszyklus wechselnden) Nutzer orientieren. Kennen wir nicht alle Gebäude, die Fenster an den falschen Stellen haben oder aufgrund von zuviel Glaselementen sich zu sehr im Sommer aufheizen oder einfach nicht instandhaltbar sind und die Materialien schon nach kurzer Zeit verwittert und unansehnlich sind?Ein weiteres Phänomen der viel gescholtenen Investorenarchitektur geht einher mit sich wandelnden Stadtteilen. Die alten Gebäude werden (gefühlt renditeträchtig) aufgewertet, neue, nicht passende Gebäude kommen dazu. Das ist unter dem Begriff Gentrifizierung bekannt. Soll es keine Entwicklung (Aufwertung oder Sanierung) von Stadtteilen mehr geben um Gentrifizierung zu verhindern?Gentrifizierung ist aber ein bis heute nicht gelöstes und in seinen komplexen Zusammenhängen zu wenig erforschtes gesellschaftliches Problem, nicht Investment- oder Investorenproblem.Alternative, kreative Lösungen sind hierfür gefragt, die Altes mit Neuem verbinden und Gräben überwinden. Es wird wohl kaum Bewohner geben, die die Stadtteile völlig verwahrlost und unsaniert weiter bewohnen wollen? Dort müssen Konzepte für Investoren lohnende, aber nicht den Stadtteilcharakter umkrempelnde Maßnahmen gefundenen werden.Eines sollte jedoch klar sein. Hinter einem Investor stehen auch immer Nutzer. Ohne Nutzer kein Investor, weil keine Einnahmen. Also können Investoren gar nicht so inhaltslos und kalt über Architektur entscheiden. Aber sind eventuell bestimmte Nutzer unbeliebt? Gibt es nun wiederum gute und schlechte Nutzer? Gibt es Individuen, die die Nutzung bestimmter Stadtteile, z.B. die Innenstadt, mehr verdient haben als andere? Wer soll das entscheiden, wenn nicht der Markt? Solche Entwicklungen hat es in früheren Zeiten schon genügend geben, alle DDR-Bewohner kennen die Qualität marktfreier Architektur.Was kann es also für andere, neue Lösungen geben? Dort sollte die Diskussion ansetzen und auch entsprechende interdisziplinäre Forschungsvorhaben.Insofern kann ich die Frage nach mehr oder weniger Investorenarchitektur nicht beantworten, weil es diese spezifische Unterart für mich nicht gibt. Kristin Wellner ist seit 2012 Professorin für „Planungs- und Bauökonomie/ Immobilienwirtschaft“ an der TU Berlin. Zuvor begleitete sie zwei Jahre die Juniorprofessur "BWL: Immobilienökonomie" an der Bauhaus-Universität Weimar und vier Jahre die Professur für "Immobilien- und Gebäudemanagement" an der Hochschule Mittweida - University of Applied Sciences in Sachsen. Vor dem Wechsel an die Hochschule verantwortete Kristin Wellner bei der CREDIT SUISSE ASSET MANAGEMENT Immobilien Kapitalanlagegesellschaft mbH, Frankfurt a.M., das Real Estate Portfolio Management. 
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Ursula Baus / 17.7.2013 / 13:58

Architekturjournalistin, Stuttgart

Nein ...

Für spät liefernde Kommentatorinnen des bkult-Themas ziemt es sich, auf bereits Geschriebenes zu reagieren – ohnehin sind viele Argumente pro und contra schon trefflich notiert worden. Und alle Beiträge sollen ja kurz sein. So darf ich mich unverblümt auf einen zeitig geschriebenen Beitrag beziehen, und dabei nur auf dessen 1. Absatz: Christoph Ingenhoven schreibt: „Was unterscheidet einen Investor von einem Bauherrn? Letzterer baut für sich selber, ersterer für unterschiedliche andere Nutzer. Das führt nach meiner Erfahrung dazu, dass auch ein Investor hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit und bauliche Qualität eines Gebäudes stellt. Er will ja hohe Mieten und Verkaufserlöse erzielen.“ Wo ist da die Logik? DER Investor wird zuallererst von einer ökonomischen Handlungsmotivation geleitet, DER Bauherr von einem ortsbezogenen, persönlichen Bedürfnis. Der Bauherr ist, weil er für sich selbst baut, Nutzer und muss alles selbst ausbaden, was er sich architektonisch eingebrockt hat. Sich zum Beispiel mit seinen Nachbarn vertragen. Der Investor muss aber allem voran die Grundregel berücksichtigen: die Lage, die Lage, die Lage. „Die Lage“ aber heißt: das Stück Stadt, das Stück Strand, das Stück Landschaft, was allen eine Heimat sein soll, aber ein Interesse aller verfolgt der Investor nicht. Last but not least: Der Bauherr, wie Christoph Ingenhoven ihn beschreibt, ist ein Mensch. Der Investor ist eine GmbH, eine AG, ein Fond – oder was immer die Betriebswirtschaft sich ausdenkt. DIE Betriebswirtschaft? Wer war das noch gleich? Bitte, lieber Herr Ingenhoven, besuchen Sie mal ein Treffen der „Entscheider der Immobilienwirtschaft“: Kaum einer der dort anwesenden Personen hat je gesehen, geschweige denn genutzt, was er alles finanziert hat.?Bei german-architects haben wir kürzlich eine Beitragsreihe zum Unterschied zwischen Immobilie und Architektur begonnen. Ja: Es gibt ihn, diesen Unterschied. Aber dieser Unterschied ist nicht nur Investoren anzulasten, sondern auch Architekten. Dazu schließe ich mich voll und ganz der in dieser bkult-Runde geäußerten Ansicht Wolfgang Kils an. Dr.-Ing. Ursula Baus studierte Kunstgeschichte, Philosophie und Architektur in Saarbrücken, Stuttgart und Paris. Stipendien und Promotion. Nach langer Redaktionsarbeit gründete sie 2004 mit Christian Holl und Klaus Siegele die Partnerschaftsgesellschaft frei04 publizistik, lehrte Architekturtheorie, verfasste Kritiken, Essays und Bücher und ist jetzt mit ihren frei04 publizistik-Kollegen u. a. für die redaktionellen Inhalte des Portals german-architects zuständig. Im wissenschaftlichen Kuratorium der IBA Basel 2020.
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Wolfgang Kil / 17.7.2013 / 9:52

Architekturkritiker und Publizist, Berlin

Jein ...

Diese Debatte ist gar keine. Denn wie soll man debattieren, wenn es gar keine allgemein verbindlichen Grundannahmen gibt: Was ist „gute“ und was „schlechte“ Architektur? Kann Architektur gut sein, die schlechten Zwecken, z.B. krasser Profitmaximierung oder eitlem Markenbranding, dient? Wieso sind staatliche Sozialprogramme „verordnet“ (ergo: schlecht)? Haben sie nicht großartigste Zeugnisse der Stadtbaukunst hervorgebracht – siehe Wien, Frankfurt, in Berlin sogar Weltkultur? Was muss man sich eigentlich unter „architektonisch gehaltvoller Urbanität“ vorstellen? Ist es nicht gerade architektonische Qualifizierung, die in angesagten Vierteln zu „stadtzersetzenden Effekten“, nämlich Gentrifizierung führt? Und sind Townhouse-Idyllen und Erlebnis-Einkaufsdörfer nicht von höchster „urbaner Sensibilität“ geprägt – pittoreskes Stadtgefühl als reinstes Verkaufsargument sozusagen?Städte waren stets und sind immer Spiegelbilder ihrer Gesellschaften. Im Kapitalismus ist es also das Kapital, das ihnen seinen Stempel aufprägt. Um individuelle Wertvorstellungen harmonisch, womöglich gar in Gestalt eines Gesamtkunstwerks, zu binden, hatten sich frühere Gesellschaften auf den „Staat“ als Regularienaufsicht geeinigt. Wer das heute nicht mehr will, muss den Staat durch den quasifeudalen Allesbesitzer ersetzen und Städte möglichst in Großeinheiten, mindestens im Quartiersformat privatisieren, oder er muss sich mit der Kakophonie kraftvoll artikulierter Einzelinteressen abfinden. Für jede dieser Varianten hat es in jeder Epoche Liebhaber und Verfechter gegeben. Das lässt sich nicht ausdebattieren.Am Berliner Alexanderplatz steht allerdings fest: Die Grundstücke wurden vor über zwanzig Jahren vertickt; da wäre selbst mit brutalstem Investorenkitsch heute für die Stadt kein Querfinanzierungsnutzen mehr zu gewinnen. Wolfgang Kil, geb. 1948, nach dem Studium in Weimar Projektant im Wohnungsbaukombinat Berlin, 1978-82 Chefredakteur der Zeitschrift „Farbe und Raum“, danach freier Autor und Kurator und 1992-94 Redakteur bei der „Bauwelt“. Seitdem ist er wieder freiberuflich als Publizist mit Arbeitsschwerpunkten DDR-Baugeschichte, demografischer Wandel, Stadtumbau und Bauen in Osteuropa tätig. Zahlreiche eigene Bücher, darunter „Luxus der Leere“ (2004) und „Das Wunder von Leinefelde“ (2007). 1997 erhielt er den Kritikerpreis des BDA.
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Christel Tampé / 16.7.2013 / 13:49

Dipl. Ing. Architektur

Nein ...

Für qualitätsvollen Wohnungs-und Siedlungsbau verwenden wir diesen Ausdruck ja gar nicht.„Investoren-Architektur“ ist per se ein abwertendes Wort und beschreibt die Ausgrenzung der Stadtöffentlichkeit: „Weil ich es kann“-Klötze nutzen den Raum maximal aus, weil sich die Investition sonst nicht rechnet. Es muss zu maximalen Preisen verkauft werden, „sonst wäre der Investor ja blöd“. Marktgerecht und daher auch von der Architektur so gestaltet, dass es den Geschmack der kaufkräftigsten Zielgruppe trifft. Also außen die Sandsteintapete  mit elegantem Portikus, und drinnen 08/15- Sozialbau-Grundrisse in den Bereichen, die „nicht so wertig“ sind, obenauf das „Penthouse“, die „Maisonette“, das „Loft“. Feuchte Maklerträume, ebenso in den Hochglanzbroschüren beschrieben. Kein Platz für Billy und Kindergeschrei, Gummistiefel auf der Fußmatte im Flur, Küchengerüche, das pralle Leben. Kein Platz für Plätze, die auch von Passanten zu nutzen wären. Kein Platz für sanfte Übergänge vom öffentlichen Raum zum privaten Bereich.Kein Platz für uns also, maximale Beleidigung unseres Selbstverständnisses als Mittelklasse, als Bildungsbürgertum.Ein Ausverkauf der (Innen-)Städte an die Meistbietenden, wie jetzt in Frankfurt, wie in München. Ob die dann auch dort wohnen, oder auch wieder nur investiert haben, wen interessiert das schon?Junge, schöne, teure und überbezahlte Menschen in eleganten, teuren, überbezahlten Wohnungen. Lage, Lage, Lage.Wir müssen leider draußen bleiben. Dabei könnte es auch anders gehen. Die Fuggerei in Augsburg war auch ein Investoren-Projekt. Nur zielte der Investor auf anderen Gewinn ab.Vielleicht bekommen wir doch immer nur das, was wir verdienen.
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Wolfgang Bachmann / 16.7.2013 / 9:11

Herausgeber, München

Nein ...

Die Frage zum Auftakt ist ein semantisches Paradoxon. Der Begriff Investorenarchitektur wurde von uns Journalisten zerschlissen, er ist negativ besetzt. Ähnlich wie mit „zubetonieren“ rücksichtslose Bautätigkeit beschrieben wird (woran der Beton völlig unschuldig ist), oder „Baukultur“ und „Ökologie“, die nur ein Verhältnis beschreiben, als erstrebenswerte Leistungen gelten.Die zugespitzten Fragestellungen am Schluss, wie man einem ausschließlich gewinnträchtigen Investorengebaue architektonische Qualität einhauchen könne, beschäftigen die Menschen guten Willens seit Generationen. Bloß warum sollten sich die Baulöwen „bewusster mit der eigenen Rolle als massiv den urbanen Raum prägende Akteure auseinandersetzen“? Verspricht ihnen das mehr Rendite, Folgeaufträge, das Bundesverdienstkreuz? Und sind wir Architekturbeflissenen uns denn sicher, ob es sich beispielsweise beim Neubau der EZB in Frankfurt um ein baukünstlerisches Fanal oder Investorenarchitektur handelt?Als Antidot wirkt sicher kein „staatlich zu verordnendes Sozialprogramm“. Wir wollen uns auch keine Exklaven für „architektonisch gehaltvolle Urbanität“ leisten, die lediglich dem ästhetischen Konsens einer Planungsbehörde entsprechen, während die Filetgrundstücke als free enterprise zones aufgegeben werden.Der Kapitalismus würde glücklich funktionieren, wenn alle Menschen (vom Investor bis zum Sozialmieter) durch ihre wie immer erbrachte gesellschaftliche Mitwirkung einen Vorteil erhielten. Das trifft aber nicht zu. Als in Bangladesch fast 1200 Menschen, die für Hungerlöhne unsere modischen Fummel zusammengenäht haben, von einem einstürzenden Fabrikgebäude erschlagen werden, bewies die Katastrophe drastisch, dass wir durch unser tägliches konsumtives Handeln die „unternehmerischen Visionen“ in die Irre leiten. Insofern zeigt „Investoren-Architektur“ nur, was der Fall ist. Dr. Wolfgang Bachmann verweilte sich nach dem Architekturstudium mit einer Dissertation und fand danach einige Jahre Unterschlupf in Architekturbüros. Dort konnte er sich nie entscheiden, was er aus den ganzen Fachzeitschriften abkupfern sollte, entlief deshalb zur Bauwelt und ist seit 1991 beim Baumeister. Zunächst als Chefredakteur, seit 2011 als dessen Herausgeber. 
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David Harnasch / 16.7.2013 / 8:47

Journalist, Freiburg

Ja ...

Wer den Begriff Investorenarchitektur verwendet, betont oft Anführungszeichen um den zweiten Wortteil, um die Abgrenzung zu vermeintlich echter, ästhetischer, wertvoller Architektur hervorzuheben. Dabei ist solche Geringschätzung völlig unangemessen. Die ach so bösen Shoppingmalls, Büro- bzw. Wohngebäude erfüllen entweder sehr reale Bedürfnisse, oder sie verschwinden schnell wieder. Denn wer aus reinem Profitstreben baut, hat keine emotionale Bindung an sein Werk, wird es von der zahlenden Kundschaft nicht angenommen, hat es auch keinen Bestand. Zweifelsfrei gibt es charmantere Orte als das Alexa-Center oder die Fußgängerzone von Siegburg. Und die Vorstellung mutet bizarr an, dass mehrere erwachsene Menschen vor einem Modell dieser Scheußlichkeiten standen und sich einig waren in der Einschätzung, so wäre das ihnen anvertraute Geld ideal investiert. Wer das Ergebnis kritisiert muss aber auch anerkennen: Die Alternative ist keineswegs der Barcelona-Pavillon oder der innere Ring Wiens. Sondern die innerstädtische Brache bzw. die notdürftigen Nachkriegsbauten, die zuvor die Bauplätze verschandelten. Die Idee, dass etwa ein spektakuläres Guggenheim-Museum irgendwo aus Altruismus entstehen würde, ist schlicht naiv. Erst das durch die Profitklötze angezogene Publikum ermöglicht in der Zukunft Verbesserungen. Hätten die Spekulanten seit dem Jahr 1811 die Insel von "Investorenarchitektur" verschont, wäre Manhattan noch heute ein Kaff mit Straßen aus Dreck. David Harnasch lebt in Freiburg im renovierten Altbau und ist Chefredakteur der Zeitschrift "liberal" der Naumann-Stiftung. Er sucht derzeit ein Penthouse mit Dachterrasse in Berlin, möglichst in einem vollständig gentrifizierten Stadtviertel.
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Ivo Bozic / 16.7.2013 / 8:41

Journalist, Hamburg

Nein ...

Wenn ein Investor eine Badematte herstellen möchte, die beim Betreten den Radetzky-Marsch spielt, soll er das tun. Es kann sich ja jeder frei entscheiden, ob er solch ein Unding kauft. Städtebau funktioniert so nicht. Der betrifft nicht nur die Wohnungseigentümer im neuen Townhouse, sondern auch deren Nachbarn, die Passanten, die Geschäfte in der Umgebung, den Verkehr und womöglich die örtliche Flora und Fauna. Wer allein aus wirtschaftlichem Interesse baut, der wird sich keine Kosten verursachenden Gedanken über eine möglichst hochwertige, zum Stadtbild passende Architektur machen, ebenso wenig wie über einen qualitativ hochwertigen Bau. Und so sind schon unzählige Quartiere mit willkürlich zusammengewürfelten, architektonisch einfallslosen, billig gebauten aber teuer verkauften Neubauten vollgestellt worden. Es hilft nichts: Es braucht knallharte Ansagen. Stadtplaner, die ohne Eigeninteresse ihr Handwerk tun, müssen festlegen, wo welcher Wohnungsbau sinnvoll ist und wie der ungefähr aussehen soll. Es zeigt sich, dass sich immer noch genügend Investoren finden, die bereit sind, die Vorgaben umzusetzen. Ivo Bozic ist Journalist und Thema-Redakteur sowie Mitherausgeber der Wochenzeitung Jungle World.
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Christoph Ingenhoven / 16.7.2013 / 8:32

Architekt, Düsseldorf

Ja ...

Was unterscheidet einen Investor von einem Bauherrn? Letzterer baut für sich selber, ersterer für unterschiedliche andere Nutzer. Das führt nach meiner Erfahrung dazu, dass auch ein Investor hohe Ansprüche an die Nachhaltigkeit und bauliche Qualität eines Gebäudes stellt. Er will ja hohe Mieten und Verkaufserlöse erzielen. Es ist nicht so, dass Investoren „nicht belehrbar“ wären. Wenn man einen Investor davon überzeugt, dass etwa eine großzügige Lobby oder öffentlich zugängliche Räume den Wert einer Immobilie steigern, wird er zu den entsprechenden Investitionen bereit sein. Nehmen wir das Beispiel des O2-Towers, den wir für Gerald Hines in München gebaut haben. Hines ist der wohl größte private Projektentwickler der Welt. Dennoch konnten wir Gerald Hines davon überzeugen, dass die Lage des O2-Towers städtebaulich zu einer Isolierung hätte führen können. Folglich, so unser Argument, täte ein öffentlich zugänglicher Garten dem Objekt gut. Hines ließ sich überzeugen, obwohl das beträchtliche Mehrkosten mit sich brachte. Aber damit das funktioniert, muss man als Architekt natürlich Überzeugungsarbeit leisten. Hierfür müssen wir auch mal die Sprache der Investoren sprechen. Viele meiner Kollegen sind hier noch zu sehr auf Abgrenzung aus. Die Verantwortung des Architekten liegt auch darin, mit anderem im immer komplexer werdenden Bauprozess zu kooperieren. Übrigens lohnt sich die Investition in architektonische Qualität für Bauträger nicht nur wegen der höheren Mieten oder Verkaufserlöse: Diese baut Wohlwollen auf Seiten der öffentlichen Hand auf. Für unseren Klienten „Dexus“ haben wir ein Projekt in Sydney realisiert, das Hochhaus „1 Bligh“. Wir konnten Dexus davon überzeugen, das Gebäude zusätzlich mit einem öffentlichen Atrium zu versehen. Dieses Mehr an städtebaulicher Qualität hat die Stadt bewogen, 15 Prozent mehr Bruttogeschossfläche zuzulassen. Also: Investoren sind nicht nur kalte Kapitalisten, die lediglich in die kurzsichtige Profitmaximierung investieren. Aber man darf von ihnen natürlich auch nicht zu viel erwarten. Komplexe Stadtentwicklungsprozesse wie die Anlage öffentlicher Parks oder Plätze ist von ihnen nicht zu erwarten. Die Champs Elysées realisiert man allein mit privaten Investitionen nicht. Hier können Public Private Partnerships funktionieren. Es bleibt aber in jedem Fall die öffentliche Hand gefordert. Christoph Ingenhoven, 1960 in Düsseldorf geboren, hat 1978 - 1984 an der RWTH Aachen und an der Kunstakademie Düsseldorf Architektur studiert. 1985 gründete er das Architekturbüro Ingenhoven Architekten. Das Düsseldorfer Büro hat zahlreiche Preise in nationalen und internationalen Wettbewerbsverfahren gewonnen und wurde merhfach ausgezeichnet für seine realisierten Projekte.
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Kristien Ring / 26.7.2013 / 14:21

Architektin, Kuratorin und Publizistin, Berlin

Ja ...

Wir brauchen „self users“: Investoren die selbst in die Häuser einziehen die sie bauen. Bei der Entwicklung eigeninitiierter Projekte spielt im Gegensatz zu Investorenprojekten Gewinn- bzw. Renditeorientierung nicht die zentrale Rolle. Weil die Flächen dauerhaft für den Eigengebrauch genutzt werden, wird langfristig bezahlbarer Wohn- und Arbeitsraum in der Innenstadt gesichert und selbstverwaltet. Selbstinitiierte Projekte wie Baugruppen und Genossenschaften demonstrieren welche Qualität zum welchen Preis möglich ist. Dabei sind selbstinitiierte Projekte inklusive, förderlich für das soziale Miteinander und auch die Interaktion in der Nachbarschaft –Sie tragen positiv zur Stadtkultur bei.  

Ein Projekt so zu organisieren, dass echte Beteiligung der Bauherren auf vielen Ebenen möglich ist und gleichzeitig ein stimmiges Architekturkonzept entsteht, ist eine große Herausforderung für die Architekturprofession – die Rolle und das Berufsbild des Architekten werden neu definiert. Die Prozesse sind in jeder Gruppe anders und müssen für jedes Projekt neu festgelegt werden. Aber nur so können wirklich gute Investitionen im Sinne einer lebendigen und zukunftsfähigen Stadtentwicklung getätigt werden.

 

 

Kristien Ring hat an der North Carolina State University sowie an der Kunsthochschule Berlin-Weissensee Architektur studiert. Sie ist Gründerin von AA PROJECTS (2011) die interdisziplinäre Projekte zu zukunftsweisenden Themen im Bereich Architektur und urbaner Raumplanung konzipieren und realisieren und ist von der Bundesstiftung Baukultur mit der Programmgestaltung und Themenentwicklung beauftragt. Ausserdem ist sie Herausgeberin und Autorin von „SELF MADE CITY Berlin, Stadtgestaltung und Wohnprojekte in Eigeninitiative“ 2013 in Jovis Verlag. Von 2005 bis 2011 war Sie Direktorin des DAZ Deutschen Architektur Zentrums in Berlin und davor als Kuratorin und Mitbegründerin der Galerie Suitcasearchitecture in Berlin (2001-2005) tätig.

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