"Sind wir mit dem Energiesparen am Ende?"
Ja! 40%
Nein! 60%
Erst vor einem halben Jahr ging es in der Bkult-Debatte „Schließen sich Energiewende und bezahlbares Wohnen aus?“ um die gerechte Kostenverteilung für die gesetzlich geforderte energetische Sanierung. Kürzlich kochte das Thema in Feuilleton und Fernsehen hoch. Im Fokus der Berichterstattung über eine neue Studie (Prognos) zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der gesetzlich geforderten Baumaßnahmen zum Klimaschutz stand auch die Frage, ob das Dämmen überhaupt eine sinnvolle energetische Ertüchtigungsmaßnahme sein kann, und inwieweit sich energetische Ertüchtigungsmaßnahmen im Hinblick auf das Energiesparen auszahlen.
Aber ganz grundsätzlich: Wenn der Klimaschutz doch das eigentliche Ziel des Energiesparens darstellt, ist es dann überhaupt sinnvoll, das einzelne Gebäude isoliert zu betrachten? Bei der ganzen Spardebatte scheinen wir jedenfalls immer aus den Augen zu verlieren, warum und was wir sparen wollen. Die politische Vorgabe der EU und der Bundesregierung lautet ja: Der Heizenergieverbrauch in Wohngebäuden soll bis 2050 um 80 Prozent gesenkt werden, um die Kohlendioxidemissionen zu reduzieren, die eine Ursache der globalen Erwärmung sind. Es geht also letztendlich um die Reduktion des CO2-Ausstoßes. Eigentlich ein Kinderspiel, sollte man meinen. Steht uns doch genügend CO2-freie Energie aus nachwachsenden Quellen zur Verfügung, mit der wir unsere Häuser heizen könnten. Dummerweise nutzen wir dazu aber noch mehrheitlich Energie aus fossilen Rohstoffen, bei deren Umwandlung in Wärme wiederum CO2 ausgelöst wird.
Warum also noch jedes Haus zur hochgedämmten Energiesparmaschine aufrüsten, egal ob es sich um ein Einfamilienhaus handelt, dessen Bewohner mit dem Cayenne in die Stadt zur Arbeit pendeln, oder um einen verdichteten Geschosswohnungsbau mit Fußwegentfernung von zu Hause zum Arbeitsplatz? Solche einschneidenden Konsequenzen unterschiedlicher Lebensstile werden andernorts schon längst in alternativen Denkansätzen wie der 2000-Watt-Gesellschaft berücksichtigt, in der ein vertretbarer Gesamtenergieverbrauch definiert wird, aber nicht diskriminiert wird, wie der Einzelne diese Energie verbraucht: Wenn man einen maximalen CO2-Ausstoss zum Beispiel pro Kopf und nicht pro Gebäude und dessen eingesparter Energie festlegt, kann ich möglicherweise auch in einem ungedämmten Haus wohnen, solange ich nicht Auto fahre und nur selten fliege.
Eine andere Möglichkeit wäre, den Maßstab der Betrachtung vom Gebäude auf das Quartier oder die Stadt zu erweitern, wenn wir durchs Energiesparen effektiven Klimaschutz bewirken wollen. Das würde große Gestaltungsspielräume für die Architektur wiedereröffnen, nicht nur beim Neubau, sondern auch bei der Bestandssanierung und dem Erhalt historischer Bausubstanz, z. B. ganzer Straßenzüge.
Kurzum: Nicht nur das Berechnungsmodell zur Effizienzsteigerung auf Einzelgebäudeebene, sondern auch die gesamte derzeitige Strategie erscheinen fragwürdig, wenn man bedenkt, dass die Sonne 10.000 mal mehr Energie abstrahlt, als wir derzeit weltweit verbrauchen (Erdwärme 2,5 mal soviel). Da erscheint es doch viel lohnender, alle Kraft in den Aufbau einer neuen nachhaltigen Energieversorgung zu setzen. Das wäre für die im Vorschriftswald verirrten Architekten und Planer sicher auch ein Befreiungsschlag und Katalysator für visionäre, neue Ideen. Sind wir also mit unserer bisherigen Energiesparagenda am Ende? Und brauchen wir eine neue Strategie für das Bauen im Klimawandel?
Jein ...
Nein ...
Nein ...
Jein ...
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Ja ...
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Ja ...
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Nein ...
Nein ...
Ohne ein aktives, bewusstes tägliches Energiesparen wird es nicht gehen. Sich nur auf eine gute Wärmedämmung zu verlassen, führt nur zu einem noch verschwenderischen Umgang mit Energie. Das belegt eine Studie „Auswirkungen der verbrauchsabhängigen Abrechnung in Abhängigkeit von der energetischen Gebäudequalität“ von Prof. Dr. Clemens Felsmann vom Institut für Energietechnik der Technischen Universität Dresden.
Darin attestiert Felsmann den höheren Wärmeschutzauflagen einen schlechten Einfluss auf das Nutzerverhalten: „Der absolute Energieverbrauch wird mit zunehmender energetischer Gebäudequalität immer kleiner, aber der Einfluss der Nutzer und ihre Neigung zum verschwenderischen Umgang nehmen deutlich zu.“ Sein Fazit: Je besser der energetische Zustand der Gebäudehülle ist, desto weniger kümmert die Bewohner ihr Umgang mit der Wärme. Deshalb plädiert Felsmann für verursachergerechtes Abrechnen der Heizkosten auch in sehr gut wärmegedämmten Gebäuden.
Seine weitergehende Interpretation der rund 3,3 Millionen anonymisierten Messdaten von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern ist allerdings etwas fraglich. Da in alten Mehrfamilienhäusern die gemessenen Raumtemperaturen in zwei Dritteln aller untersuchten Wohnräume deutlich unter dem theoretischen Sollwert von 20 °C liegen, verhalten sich Nutzer in Altbauten deutlich energiebewusster als bisher angenommen und ihr Verhalten hat einen größeren Einfluss auf den Gesamtverbrauch als vermutet. Felsmann folgert daraus, dass Einsparpotenziale von energetischen Maßnahmen an Gebäudehülle und Anlagentechnik überschätzt werden.
Meiner Meinung nach ist eine solche Interpretation eine Fehlscheinschätzung der Lage. Der sparsame Umgang mit Heizenergie in Altbauten liegt meines Erachtens eher daran, dass man die horrenden Heizkostennachzahlungen fürchtet, die sich bei unkontrolliertem Heizen schnell potenzieren können. Und das ist sicher kein wünschenswerter Zustand für Mieter. Daher müssen neben der energetischen Optimierung der Gebäudehülle auch Instrumente bzw. Anreize zum Energiesparen geschaffen. Nur wenn beides miteinander einhergeht, wird man Klimaschutzziele und Heizkostensenkung langfristig sinnvoll kombinieren können.
Robert Doelling, geboren 1976, hat Marketing an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel studiert und ist seit vielen Jahren im Online-Marketing regenerativer Energien tätig. Er lebt in Hamburg, engagiert sich als Energieblogger für eine dezentrale Energiewende und schreibt für die Blogs auf solaranlagen-portal.com, heizungsfinder.de, solarcontact.de und energie-experten.org.
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