"Braucht die Baukultur
mehr Bauherren wie
Tebartz-van Elst?"

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Anstelle von geplanten 5 Mio. Euro hat der Bau des Limburger Bischofssitzes 31. Mio. Euro gekostet. Architekt ist Michael Frielinghaus, Präsident des BDA.

Der Gebäudekomplex wird von den einen als Prunkbau beschimpft und von den anderen wegen seiner architektonischen Qualität hoch gelobt. Müsste man als Architekt und Freund der Baukultur aber nicht dem Bauherren dankbar dafür sein, dass er in einer Zeit, in der im Bauen und der Kultur allgemein fast nur noch gespart wird, für hochwertige Architektur auch viel Geld auszugeben bereit ist?

Die Kirche hat in der Vergangenheit überwältigende und spektakuläre Bauten produzieren lassen. Dass diese damals oft ebenfalls exorbitant teuer waren, stört uns heute weniger. Wer sonst leistet sich hierzulande heute diese Qualität, deren Verlust allerorten so lautstark beklagt wird? Täten ein paar mehr Auftraggeber à la Tebartz-van Elst unserer Baukultur von heute nicht sogar gut?


 

Redaktion BKULT / 12.11.2013 / 10:53

Jein ...

Resümee Die Diskussionen um die Person Tebartz-van Elst haben bis vor kurzem die Gemüter erhitzt. Die Kritik der Medien an dem Bischof bezog sich vor allem auf seinen Umgang mit den hohen Baukosten für seinen Bischofssitz und seine Fehler in der Vergangenheit. Die architektonische Qualität des Bischofsitzes und die damit verbundenen Fragen, ob Tebartz-van Elst ein guter Bauherr war und er der Baukultur in Deutschland in Zeiten des Sparens sogar einen Dienst erwiesen habe, trat in den Hintergrund – für BKULT eine gute Gelegenheit, diese Fragen aufzugreifen und das Thema von dieser Seite zu beleuchten.So antworten die meisten Statmentgeber auf die BKULT-Frage mit „Ja“, Tebartz-van Elst sei ein vorbildlicher Bauherr. Allen voran stellt Peter Cachola Schmal die Leistungen des Bischofs in diesem Zusammenhang als positiv heraus. Seine Argumente teilen auch andere Befürworter: Der Bischof habe seine Aufgaben als Bauherr persönlich und mit großem Interesse wahrgenommen, habe Geschmack sowie architektonisches Verständnis bewiesen und die besten Handwerker der Region beauftragt. Zudem waren die Baukosten gedeckt und zwar durch Finanzmittel, die weder aus Steuermitteln, noch aus zu waschendem Schwarzgeld bestanden.Die hohen Baukosten von mindestens 31. Mio Euro stoßen dennoch bei einigen auf Unverständnis. Gerade auch unter dem Aspekt, dass die katholische Kirche aus Kostengründen zunehmend Sozialleistungen streiche und Kirchengebäude abreisse oder verkaufe – die Bürger seien zu Recht wütend (Henner Herrmanns, Lorenz Brugger).Doch nicht nur die Kosten, auch die architektonische Qualität des Bischofsitzes wird in der Debatte kontrovers diskutiert. So schreibt Gus Wüstemann zum Beispiel über die Geschichte des Diogenes und kritisiert damit implizit die Wahl des Bischofs, edle Materialien und luxuriöse Designelemente zu verwenden. Auch Christian Holls Argumente zielen in diese Richtung: „Die Entscheidung, wie man Architektur verwirklicht, ist ein Teil von ihr.“Für die Art und Weise wie Tebartz-van Elst mit den steigenden Kosten umgegangen ist, erntet er trotz seiner Leistungen als Bauherr von allen Seiten Kritik, wenn auch Einigkeit darüber besteht, dass die Medien zum Teil mit ihrer Kritik über das Ziel hinausgeschossen seien. Lorenz Brugger fasst die Debatte in seinem  Beitrag  zusammen und  schlüsselt darin die verschiedenen Ebenen der Diskussion auf, die aufgrund der aktuellen Medienberichterstattung nicht immer nachvollziehbar seien.  Sein Fazit: Tebartz-van Elst war ein guter Bauherr und zugleich „wahnsinnig schlechter Bischof.“Die BKULT-Debatte um Tebartz-van Elst zieht auch außerhalb des Forums ihre Kreise. Enrico Santifaller veröffentlichte einen Artikel zur Diskussion in der Frankfurter Neuen Presse. Er sieht eine zukünftige Aufgabe der Kirche darin, „vorbildliche Baukunst“ zu errichten, die im Idealfall aber ein paar Euroscheine weniger kostet als der Limburger Bischofssitz – ganz im Sinne des aktuellen Papstes Franziskus. 
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Titus Bernhard / 7.11.2013 / 17:09

Architekt, Augsburg

Jein ...

Ohne die Hintergründe zu den Kosten, der Informationspolitik und der medialen Darstellung im Einzelnen zu kennen, ob richtig oder falsch  unterscheide ich hier zwischen der moralisch-ethischen Auffassung im Diskurs um die gesellschaftliche Vorbildfunktion der Kirche und der architektonischen Haltung.In Zeiten der fragwürdigen Glaubwürdigkeit der Institution Kirche, insbesondere auch der Katholischen und vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels des Papstes Franziskus gegenüber seinem Vorgänger, ist der Kostenrahmen von 31,5 Mio EUR  für eine „Bischofsresidenz“ schwer darstellbar. Natürlich stellt sich da die Frage, ob das Geld nicht für andere Notwendigkeiten ausgegeben werden sollte. Das Projekt ist insofern in der öffentlichen Diskussion schlicht weg nicht politisch opportun.Davon unberührt ist die architektonische Qualität, die grundsätzlich nur dann möglich wird, wenn der Bauherr und sein Architekt mit einem gemeinsamen Anspruch an die Gestaltung zusammen agieren.Die architektonische Qualität des Projektes ist zweifellos weit überdurchschnittlich, Geschmacksfragen lassen sich dabei auch objektiv relativieren. Wir brauchen mehr solche Architekturen und Auftraggeber, die dies ermöglichen.Vermutlich – und das ist entscheidend - gibt es gar keine Kostensteigerung von 5 Mio. auf 30 Mio. EUR, sondern nur eine sehr unglückliche Kommunikation seitens des Bischofs. Titus Bernhard studierte Architektur an der TU Braunschweig, dem Politecnico di Milano und an der Cooper Union in New York und gehört zu den profiliertesten Architekten im Bereich gehobener Wohnungsbau in Europa. Sein Büro gründete er 1995 in Augsburg.   Vorher arbeitete er u.a. bei Richard Meier & Partners in New York. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mehrfach den  „best architect award“, BDA-Preis Bayern und die Erich Schelling Medaille sowie die Teilnahme an der Architektur-Biennale in Venedig. Bernhard hat zahlreiche Vorträge und Lehraufträge im In- und Ausland und war Gastprofessor für Entwurf und Konstruktion an der HTWG Konstanz von 2005-2007.www.bernhardarchitekten.com
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Lorenz Brugger / 7.11.2013 / 16:54

Architekt, Freie Planungsgruppe 7, Stuttgart

Jein ...

Die Debatte ist meiner Meinung nach höchst interessant. Sie führt imposant vor Augen, wie sehr wir durch Medien aller Art von einigen Wirklichkeiten abgelenkt werden: 1. WirklichkeitDer Bau ist, was die architektonische Qualität betrifft, sehr gut gemacht – ob er den Geschmack der Leute trifft oder nicht. Das gilt generell für Architektur. Die Beschreibungen „gute Architektur“ und „schöne Architektur“ gehen oft auseinander. Was schön ist, muss nicht immer gut gebaut sein, und was gut gebaut ist, muss nicht immer schön sein. Für Limburg gilt: gut gebaut, kein Zweifel, aber schön? Das soll jeder selber entscheiden, ich für meinen Teil finde das Ensemble durchaus herausragend. Aber die Themen Architektur, Baukultur und das Bauen an sich finden in den Massenmedien praktisch keine Erwähnung. Stattdessen werden die Kosten wieder und wieder durchgewälzt, bis sogar die kleinen Kinder wissen, dass es ein "Verbrechen" sei, ein Gebäude für 31 anstatt für 5 Millionen zu bauen. Ob das gut geht? 2. WirklichkeitDer Qualität der Bauten nach zu schliessen, scheint Bischof Tebartz-van Elst ein guter Bauherr gewesen zu sein. Genau hier haken die Medien wiederum ein. Anstatt eine objektive Berichterstattung zu wählen, der sie eigentlich verpflichtet sein sollten, wird der so viel zitierte Sündenbock herauf beschworen. Das ist eine beschämende Unart der Menschen, nicht nur in Deutschland, mit der man wohl oder übel umgehen muss. 3. WirklichkeitDer Bischof von Limburg ist zwar ein guter Bauherr, aber gleichzeitig ein wahnsinnig schlechter Bischof und dazu ein wahnsinnig unehrlicher. Auch das ist nicht zu bestreiten. Hier haben die Medien das einzig richtige getan: sie haben dafür gesorgt, dass diese Unehrlichkeiten auf den Tisch kommen und dass eine Debatte über das Vermögen der Kirche angestoßen wird. Dafür müssen wir den Medien dankbar sein, denn wir zahlen Kirchensteuer, finanzieren den zweitgrößten Arbeitgeber Deutschlands kräftig mit und haben daher ein Anrecht darauf, zu erfahren, über welche finanziellen Mittel die Kirche in Deutschland verfügt und wie sie eingesetzt werden. Die Wirklichkeit ist, dass die Kirche entweder nicht in der Lage ist, zu rechnen, oder wissentlich nicht mit ihrem Vermögen an die Öffentlichkeit gehen will. Beides ist erschreckend in der heutigen Zeit! Ob der Papst das in den Griff bekommt, bezweifle ich sehr stark. Und zu guter Letzt ein Kommentar zu den KostenOb der Bauherr über gedeckte Konten verfügt oder nicht, ist hinfällig. Schließlich müssen durch diesen Bau 26 Millionen Euro an einer anderen Stelle eingespart werden, weil einer der Angestellten es nicht auf die Reihe gebracht hat, die Kosten einzuhalten und/oder seinen Arbeitgeber hintergangen hat und ihm dieses Geld durch Kostenaufteilungen und -fälschungen klamm heimlich gestohlen hat, um seinen eigenen Willen durchzusetzen. Das ist der eigentliche Skandal. Wenn ein Unternehmen durch solche Vorgänge 26 Millionen Euro "verliert", geht es schon mal den Bach runter. Es ist das Glück der Kirche, dass sie sich das leisten kann. Das sagt schon einiges über die finanzielle Lage der Kirche aus.Diese 26 Millionen sind es dann, die bei notwendigen Dingen wieder gestrichen werden, ob es das Diözesanmuseum ist oder die katholischen Kitas, die Krankenhäuser, die Armenhäuser, die Pflegedienste oder alle anderen sozialen Einrichtungen der Kirche. Sie alle hätten dieses Geld wohl mehr gebrauchen können, als der Bau des Bischofsitzes.So gesehen ist der Bischof von Limburg ein ganz normaler Gauner, aber dafür kann er Architektur machen und ist ein angenehmer Bauherr... ob es das rechtfertigt?! Lorenz Brugger, geboren 1983, wuchs im zweisprachigen Bozen in Südtirol, Italien auf und ging nach Abschluss der Schule nach Deutschland und studierte dort an der Universität Stuttgart Architektur und Stadtplanung. Nach Auslandsaufenthalten in Oslo und Zürich schloss er erfolgreich sein Studium ab. In seiner Diplomarbeit über das Valle Maira setzte er sich mit der Entsiedelung von dörflichen Regionen in den italienischen Westalpen auseinander. Er arbeitet als angestellter Architekt bei der Freien Planungsgruppe 7 in Stuttgart.
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Christian Holl / 7.11.2013 / 13:07

frei04 publizistik, Stuttgart

Ja ...

Kunst existiert nur in ihrer Verwirklichung, schrieb Max Bense. Genauso existiert Architektur nicht als schwebende, reine Idee, losgelöst vom gesellschaftlichen Rahmen. Davon mag man träumen, aber wir brauchen offensichtlich immer wieder Fälle wie den von Limburg, um uns zu vergegenwärtigen, dass in der Realität Architektur nicht als autonomes Objekt jenseits seines gesellschaftlichen, sozialen, politischen Kontextes existiert. Zu ihrem Kontext gehören beispielsweise auch die Kosten und ihr Verhältnis zu andern Ausgaben, so sehr man beschwören mag, dass dies verschiedene Dinge seien – was aber genau nicht heißt, dass das Ensemble in Limburg hätte weniger kosten müssen. Es heißt nur: Die Entscheidung, wie man Architektur verwirklicht, ist ein Teil von ihr.  Architektur ist nie unschuldig, sie ist immer eingebunden und verwoben in gesellschaftliche Auseinandersetzungen um Macht, Repräsentation und Freiheit, auch dort, wo sie sich dem zu verweigern trachtet. Architektur fordert zu Entscheidungen heraus, sie ändert oder reproduziert Verhältnisse, sie lenkt Wahrnehmungen, steuert Zugänge. Sie ist nicht ohne die Interessen ihrer Bauherren zu haben, sie ist nicht zu haben ohne die Diskussionen, die sie auslöst, die Umwertungen, denen sie unterworfen ist, den Auseinandersetzungen, die sich an ihr entzünden. Insofern kann ein Mehr an Bauherren wie Tebartz-van Elst und damit ein Mehr an Diskussion nicht schaden. Es fällt ganz offensichtlich leichter, mit der Zuordnung zu Personen diese Diskussionen überhaupt zu führen. Und man kann schließlich mit Bauherren, die Personen sind, die Diskussion nicht nur über sie, sondern auch mit ihnen führen.Vielleicht ist aber noch ein anderer Aspekt wichtig: Es scheint, als sei das Fehlen eines solchen Bauherren in anderen Fällen der Grund dafür, dass hier letztlich eine Kompensationsdiskussion geführt wird. Limburg ist doch eigentlich vergleichsweise harmlos, gemessen an dem, was sonst von den großen Konzernen, Firmen und Finanzdienstleistern errichtet wird. Der Fall Limburg wird deswegen so dankbar aufgegriffen, weil man Grundsätzliches lediglich einer Person zuordnen kann. Indem sich die Diskussion auf den Bischof konzentriert und vielleicht noch am Rande den Architekten nennt, erfüllt sie das alte Prinzip des Sündenbocks, der auch für Vergehen oder Fehlentwicklungen jenseits des konkreten Falls herhalten muss.Aber auch den Sündenbock braucht unsere Gesellschaft offenbar. Vielleicht hilft es, sich dies einzugestehen. Vielleicht ist der Fall Limburg dann wertvoll, weil er dann dabei helfen könnte, den Diskurs auf das zu lenken, was dadurch vergessen und verdrängt werden soll, weil er dann hilft, den Blick auf das zu richten, was jenseits des aufgeblasenen Skandals ständig um uns herum passiert: auf den renditeorientierten Wohnungsbau ebenso wie auf mögliche Verdrängungswirkungen von Gestaltung, auf die Bodenspekulation, die Machtdemonstration, die leerstehenden Bürobauten. Denn eigentlich sollten wir auch fragen: Brauchen wir mehr Bauherren wie die Europäische Zentralbank oder andere Banken, brauchen wir noch mehr Bauherren wie ECE, brauchen wir Bauherren, die sich mit olympischen Prachtbauten schmücken, die nach dem Anlass, zu dem sie errichtet wurden, wieder verfallen ....?Christian Holl ist Architekturjournalist und -redakteur. Gemeinsam mit Ursula Baus und Klaus Siegele gründete er 2004 in Stuttgart die Partnerschaftsgesellschaft frei04 publizistik für die Themengebiete Architektur, Städtebau und Bautechnik. Ihn und seine Partner motiviert die Verantwortung, die man in freier Publizistik wahrnehmen kann. Eine vielfältige Interpretation des Wertes, den Architektur und Stadt für unser Leben haben, wird von frei04 publizistik informativ und kritisch begleitet.
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P. Gregor M. Lechner / 7.11.2013 / 10:15

Professor für Ikonographie, Göttweig

Jein ...

Zweifellos hat die Architektur beste Qualität und auch eine besondere Ensemblewirkung. Die Öffentlichkeit jedoch hat das Bauvorhaben zu sehr auf das bischöfliche Palais konzentriert, was dem Unternehmen nicht gut getan hat. Auch ein Diözesanmuseum mit bedeutenden Exponaten war in Limburg längst fällig und diese Objekte benötigen eine ausstellungsgerechte Präsentation, aber davon wurde leider kaum gesprochen. Dadurch hätte man dem ganzen Projekt den Wind aus den Segeln nehmen können, zumal ja auch andere Diözesanmuseen jetzt davon betroffen sein werden. Falsch jedoch war das Stillschweigen um die Teuerungen und die Fixierung auf einen Bischof, der anscheinend von Beginn an als unwillkommen eingestuft war, sodass man ihn im Regen stehen ließ. Dass Qualität etwas kostet, war einfach abzusehen und reiner Wein wäre von Beginn an nötig gewesen, vielleicht auch eine andere zeitliche Bauabfolge. Angesichts der Bescheidenheit seines Vorgängers, Bischof Kamphaus, hätte das Palais eher nachrangig angegangen werden sollen, zumal der neue Papst Franziskus mit gutem Beispiel neue Akzente setzt. P. Gregor M. Lechner, geb. 1940, OSB in Göttweig, Kustos der Kunstsammlungen, a.o. Univ. Prof. für Ikonographie an den kunsthistorischen Instituten Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck, Ausstellungen und Redakteur von „Das Münster“ in Regensburg, Beiratsmitgliedschaften.
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Kristian Hüsen / 5.11.2013 / 18:13

Architekt

Ja ...

Das Problem ist tatsächlich, dass sich in der Debatte mehrere Problemfelder vermischen: 1. Die Debatte um die architektonische Qualität: unstrittig, weil sehr gut. Das Gebäude-Ensemble wurde sehr sensibel in das Umfeld eingefügt, es ist sorgfältig proportioniert und in keiner Weise protzig. 2. Die Debatte um die Höhe der Baukosten: trotz der vielen Ausgaben wurden bleibende Werte geschaffen. Zu den hohen Kosten kam eine schwierige Logistik; regionale Handwerker und Materialien, schwieriger Baugrund oder auch Ruinenfunde. All das kostet eben auch Geld. Die Höhe der Baukosten kann bestimmt auch rational erklärt werden, also bitte mal Ruhe einkehren lassen. 3. Die Debatte um die interne Kommunikation der Baukosten innerhalb des Bistums und der Kirche - da kann man berechtigt Kritik üben (aber die Kirche ist nunmal keine Demokratie...). Hätte man von vorneherein die Baukosten in der korrekten Höhe öffentlich kommuniziert, hätte es schon im Vorfeld eine Diskussion gegeben. Dann hätte sich vielleicht alles angesichts der Pläne beruhigt oder es wäre ein gesichtsloser Kompromiss entstanden. Das ist wohl das grundsätzliche Problem der Baukultur in Deutschland.Und 4.: Die Debatte um die Angemessenheit, 31 MIllionen für ein Bauwerk auszugeben, und nicht für die kirchlichen Aufgaben. Einzig an dieser Stelle müsste sich der Steuerzahler fragen, wieso er/sie auch kirchliche Kitas mitfinanzieren muss, weil die Kirche dazu angeblich nicht in der Lage ist. Das ist dann ein inhaltliches Kommunikationsdefizit, dem sich die Kirche stellen müsste. Das alles reicht jedoch nicht, um die ganze Geschichte so dermaßen zum Skandal aufzublasen, wie das derzeit geschieht. Kristian Hüsen, 44 Jahre alt, betreibt seit 2004 mit Alexandra Düll das Büro Kontext Architektur in Frankfurt am Main, wo die Auseinandersetzung mit dem Vorhandenen im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht. Er ist zudem in der Lehre tätig, u.a. an der Fachhochschule Frankfurt am Main sowie im Rahmen von internationalen Workshops der Akademie der Künste in Berlin.  
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Gus Wüstemann / 4.11.2013 / 18:08

Architekt, Zürich & Barcelona

Nein ...

Eines der Missverständnisse in der heutigen Baukultur liegt darin, dass sozial kontaminierte Konnation mit Qualität in der Architektur verwechselt und vermischt werden. Architektur ist Architektur, es bedarf keiner Attribute wie luxuriös, modern, konventionell, traditionell usw. Dies sind die Ängste jedes Einzelnen: sich über Architektur äußern zu können, sich als Bauherr äußern zu müssen und nach diesen Attributen zu suchen. Es sind dann ganz existentielle Fragen, die eben nicht beantwortet werden, wie zum Besipiel: Was ist es? Spricht es das Herz an? Ist es gut gemacht? In diesem Moment spielen bei den meisten Menschen ihr sozialer Hintergrund und die Hierarchiegläubigkeit in der Gesellschaft eine viel wichtigere Rolle, als dass sie sich mit einer gewissen Wahrheit umgeben möchten: Extremer Aufwand, aber keine Poesie, ein überdurchnittliches (evt. auch: relativ stures) Anwenden des in der Akademie Gelernten. Das Projekt von Bischof Terbatz-van Elst ist ein Beispiel dieser Art von Verwechslung in multipler Form, ohne die Architektur als solche zu werten. Als Bischof streng mit den Hierarchien der Kirche verbunden, hat er klare Bilder im Kopf, was denn diesem Status der Architektur entsprechen soll. Es sind diese klaren Hierarchien, die sich hier mit der Architektur treffen. Wieso nicht einfacher, mit industriellem Stahl, Wellblech und roher Eiche? Diogenes lebte in einem Holzfass und glaubte nichts Überflüssiges zu besitzen. Bis er einen Jungen sah, der aus seinen hohlen Händen Wasser trank. Daraufhin warf er seinen einzigen Besitz, seine hölzerne Schale weg. Es gibt immer noch eine einfachere, authentischere und damit auch poetischere Lösung. Diogenes hat dies verstanden. Gus Wüstemann studierte Architektur an der ETH Zürich und arbeitete in Sidney, New York, Paris und Bombay. 1997 gründete er gus wüstemann architects mit Büros in Zürich und Barcelona.
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Stephan Maria Lang / 31.10.2013 / 10:47

Architekt, München

Ja ...

Eine Kultur der Verfeinerung steht nicht gerade im Einklang mit protzenden Bauherren. Baukultur braucht auf jeden Fall solvente und kunstverständige Bauherren – und genau das ist die Kirche. Mir geht die schnell herunter geplapperte „Political  Correctness“ mancher Kollegen auf die Nerven, die gerade mal den Begriff Nachhaltigkeit annähernd verdaut haben und Kirchensteuer nur im Auftragsfall der Kirche bezahlen. In Zeiten einer zunehmenden „Obi-isierung“ freut man sich als Architekt  über jeden Bauherrn, der sich mit Qualität unserer gebauten Umwelt auseinandersetzt. Stephan Maria Lang, geb.1959, hat an der TU München und der ETH Zürich Architektur studiert. Er ist Gründer des multidisziplinär tätigen Büros für Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsplanung design associates mit Sitz in München und Starnberg. In den vergangenen Jahren hat das mehrfach ausgezeichnete Büro ein breites Spektrum an professioneller Kompetenz in den Bereichen privates Wohnen, Restaurant- und Shopdesign, Umbau, Sanierung erarbeitet.
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Sven Silcher / 30.10.2013 / 14:53

Dipl.Architekt ETH BDA

Ja ...

Ja, dringend brauchen wir Bauherren, die diese Bezeichnung verdienen und nicht nur „Auftraggeber“ sind! Wir brauchen Bauherren, die mit einer eigenen Ambition zum Entstehen von „Architektur“ beitragen, Bauherren, die sich ihren Architekten mit Sorgfalt aussuchen, sich aktiv im Planungs- und Bauprozess beteiligen, anspruchsvoll bis in das letzte Detail sind und die Fähigkeit besitzen, aus einem Architekten sein Bestes herauszukitzeln – wobei anspruchsvoll erst einmal nichts mit Kosten zu tun haben muss. Wir kennen solche Idealkonstellationen, es sei hier nur an Alois Brems, den Bischof von Eichstätt und den im vergangenen Jahr verstorbenen Karljosef Schattner erinnert. Ist / war Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ein solcher Bauherr? Sieht man das gebaute Ergebnis, dann offenbar ja. Aber was ist mit der Kostensteigerung von 5 auf 31 Mio (oder gar noch mehr)? Nun, die mediale Rezeption hat sich hier auf einige Luxuskomponenten kapriziert - stellvertretend wird immer wieder die freistehende Philippe Starck Badewanne vorgeführt - die mit der eigentlichen architektonischen Qualität nichts zu tun haben. Aber als Außenstehender weiß man nichts über die Planungsgeschichte und kann insbesondere die wirkliche Kostenentwicklung bisher kaum beurteilen. Vermutlich wurde, wie so oft, politisch motiviert zuerst nur eine kleine Summe publiziert, die mit dem tatsächlichen Umfang der beabsichtigten Baumaßnahmen nichts zu tun hatte. Dann gab es vom Bauherren veranlasste Programmänderungen und nicht vorhersehbare Überraschungen durch beim Baufortschritt zu Tage tretende Eigenheiten der Altsubstanz. Wenn die Luxuskomponenten in der Endabrechnung dann ein Plus von 100.000 € (0,32%) ausmachen, werden diese Änderungen vermutlich groß gewesen sein. Mit dem Kostenthema ist der bischöfliche Bauherr allerdings wohl nicht sehr geschickt umgegangen. Der Shitstorm, der nun über ihn gekommen ist, dürfte aber vor allem andere Ursachen haben, das Baukostenthema war nur der hochwillkommene Aufhänger, weil es Kräfte gibt, die ihn – schlicht gesagt – noch nie mochten. Man lese nur einmal die nahezu endlose Aufstellung seiner „Vergehen“ nach, die in http://de.wikipedia.org/wiki/Franz-Peter_Tebartz-van_Elst aufgelistet sind. Da hat sich jemand wirklich sehr angestrengt!Also bleibe ich beim JA und wünsche mir vom Idealbauherren lediglich, sollte sein Bau auch die Öffentlichkeit etwas angehen, einen von Anfang an offenen, ehrlichen und Vertrauen vermittelnden Umgang mit den die Öffentlichkeit interessierenden Fakten des Baus. Sven Silcher, Jahrgang 1937, Architekt in Hamburg, Mitbegründer und bis 2007 Partner in ASW Architekten. u.a. Straßenraumneugestaltung Mönckebergstrasse, neuer ZOB und 2. Preis Wettbewerb Masterplan Hafencity, alle Hamburg. In der Zeit ab 1994 u.a. Landesvorsitzender BDA Hamburg, Vizepräsident BDA Bundesverband, deutscher Delegierter im Europäischer Architektenrat · ACE und in der Union Internationale des Architectes · UIA; Vizepräsident 21. UIA Weltkongress Berlin 2002.
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Peter Cachola Schmal / 30.10.2013 / 12:30

Chefkurator und Leitender Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM), Frankfurt am Main

Ja ...

Der Bischof von Limburg scheint aus der Zeit gefallen zu sein, wenn man die leidenschaftlichen Kommentare im Internet liest, die an eine andere große kirchliche Tradition erinnern: die Hexenjagd. Zeitgenossen, die normalerweise differenzierend argumentieren, scheuen sich nicht, Selbstmordfantasien an den geistlichen Bauherren zu richten, dessen Titulierungen mit "Protz-Bischof" oder "irres Bambi" noch sanft umschrieben werden. Was hat Bischof Tebartz-van Elst denn (baukulturell und architektonisch gesehen) getan? Er hat sich NICHT durch ein anonymes, wachsweiches, uninteressiertes und entscheidungsscheues  Gremium vertreten lassen. Sondern er hat einen identifizierbaren, persönlichen, authentischen und – wenn man mit seinem Architekten spricht – gebildeten und mit Geschmack gesegneten Bauherren verkörpert. Er hat eine dezente aber sorgfältig gefügte Materialität im Detail verlangt, die von sehr guten Handwerkern aus der Region ausführen lassen und nicht von der billigsten Klitsche an mangelhaft werkelnde Subsubsubunternehmer delegiert wurde. Die im Verlauf der Bauarbeiten auftretenden Überraschungen, wie mittelalterliche Turmreste, wurden vom Bauherrn im Sinne des Konzepts als Chance und nicht als Katastrophe verstanden und eine entsprechende Ausweitung des Auftrags als positiv bewertet. Die Bauherrenschaft hat dabei zugegebenermaßen nicht zu sehr auf den Preis geschaut, sondern im Gegenteil dafür gesorgt, dass eine professionelle Consultingfirma zeitnah die Rechnungen prüfte und beglich. Vermutlich wurden auch die Leistungen des Architekten und der Fachingenieure angemessen und nicht nach den von vornherein zu niedrig angesetzten HOAI-Sätzen honoriert. Der Topf, aus dem die Finanzmittel stammten, hatte genügend Deckung und bestand weder aus zu rechtfertigenden Steuermitteln noch aus zu waschendem Schwarzgeld (wie in anderen Regionen üblich, in denen unsere besten Architekturexporteure sonst gerne arbeiten). Er bestand aus wertstabilen Immobilienanlagen, die mit großer Sorgfalt und ohne Risiko verwaltet wurden. Kirchliche Schätze eben, von deren Existenz die interessierte Öffentlichkeit erst vor kurzem erfahren durfte. Der Architekt wurde bei der Erfüllung seines Werkvertrages weder von missgünstigen Kosten- und Zeitkontrolleuren, noch von gegnerischen Anwälten schikaniert. Wenn man auf diese Weise einmal die Perspektive ändert – müsste man dann im Bischof von Limburg nicht einen vorbildlichen Bauherren sehen, so, wie die Architektenschaft ihn ständig in ihren professionellen Lamenti als schmerzlich vermisst erklärt? Peter Cachola Schmal, geb. 1960, ist Architekt, Architekturkritiker und seit 2006 Chefkurator und Leitender Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) in Frankfurt am Main. Von 1981 bis 1989 studierte er Architektur an der TU Darmstadt, war 1992 bis 1997 dort wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Fachgebiet Baukonstruktion. Von 1997 bis 2000 Lehrauftrag "Entwerfen" an der Fachhochschule Frankfurt, seit 2000 ist er Kurator am DAM. 2007 war er Generalkommissar des Deutschen Beitrags der VII. Internationalen Architekturbiennale Sao Paulo 2007.
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Ulrich Königs / 30.10.2013 / 12:27

Architekt, Köln

Nein ...

Eindeutig nein, aber unsere Gesellschaft braucht Bauten wie den Bischofssitz in Limburg! Mein Nein richtet sich ausdrücklich gegen die Person des Bauherrn und dessen Vorgehensweise, nicht aber gegen das Bauwerk als solches.Der gute Mann wollte – nach eigenem Bekunden – gerne Architekt werden, bevor er sich entschloss, Priester zu werden. Dies hat er offensichtlich nun nachholen wollen und im Prozedere das Augenmaß verloren. Ob dabei tatsächlich ein justiziables Fehlverhalten (egal ob Kirchenrecht oder weltliches Recht) nachgewiesen werden kann, werden die Kommission und ggf. Gerichte untersuchen. Hier maße ich mir kein Urteil an und ich stütze meine Meinung nicht auf diese Frage der Legalität. Es geht hier um etwas anderes, nämlich die Frage nach der Legitimität. Die katholische Kirche war mit ihren Bauten immer der Träger von Baukultur, Kirchenbauten waren Jahrhunderte lang "Avantgarde". Dieser Status basierte auf ihrem Selbstverständnis, dem gesellschaftspolitischen Stellenwert, der ökonomischen Leistungskraft und einem organisatorischen sowie personellen Know-how. Selbst in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hat die katholische Kirche diesen gesellschaftlichen Auftrag angenommen und ist ihm auch gerecht geworden. Anders als die "Öffentliche Hand", die sich leider immer weniger als verantwortungsbewusste Trägerin von Baukultur versteht und nur die (scheinbar kostenoptimierte) Verwendung von Steuergeldern als Handlungsmaxime pflegt (und dies noch nicht einmal sonderlich erfolgreich), versteht sich die katholische Kirche weiterhin in dieser Tradition. Der Status der katholischen Kirche als (Bau-)Kulturträger muss jedoch immer wieder aufs Neue gesellschaftlich legitimiert werden! Was vor hunderten von Jahren völlig selbstverständlich war und noch vor wenigen Jahrzehnten nicht hinterfragt wurde, muss in unserer heutigen säkularen Gesellschaft sorgsam gepflegt und ständig erneuert werden. Aus diesem offensichtlich mangelhaft geführten Legitimationsprozess erklären sich in Limburg viele Ursachen der jetzigen Situation. Wir sind Stolz auf die Bauten der katholischen Kirche, auch wenn wir nicht Katholiken oder Christen sind. In meinem Kölner Umfeld gibt es dutzende Beispiele aus verschiedensten Epochen: Den Kölner Dom, die romanischen Kirchen, das Diözesanmuseum oder die Kirchen der Nachkriegszeit. Jede andere Stadt in Deutschland, ja in Europa, kann eine solche eigene Reihe an Beispielen aufzählen! Der katholischen Kirche muss es auch zukünftig gelingen, diesen Stolz in unserer Gesellschaft zu bewahren und hervorzurufen, erst dann werden Bauten wie in Limburg legitim. Bischof Tebartz-van Elst ist diese wichtige Kulturvermittlung nicht gelungen. An Stelle von gesamtgesellschaftlichem Stolz trat persönliche Eitelkeit – das hat das Bauwerk nicht verdient und die katholische Kirche auch sicher nicht gewollt.  Ulrich Königs, geb. 1964 in Köln, hat an der RWTH Aachen, an der Bartlett School und an der an der Architectural Association, London Architektur studiert. Bevor er sich selbständig machte arbeitete er bei Peter Kulka im Büro. Von 1996-2001 war er Assistent am Lehrstuhl für Baukonstruktion III an der RWTH Aachen. Seit 2004 ist er Professor an der Bergischen Universität Wuppertal für Konstruieren und Entwerfen. 1996 gründete er gemeinsam mit Ilse Maria Königs das Büro Königs Architekten. Das Büro hat zahlreiche Bauten und Projekte im Auftrag der Katholischen Kirche bearbeitet, darunter das Pfarrzentrum St. Franziskus, Regensburg und die Kirche am Meer, Schillig.
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Wolfgang Döring / 30.10.2013 / 12:23

Architekt, Düsseldorf

Ja ...

Selbstverständlich brauchen wir immer Architektur, Architektur als ästhetisches Ereignis. Die Bauwerke in Limburg habe ich nur in Abbildungen gesehen. Diese Bilder versprechen, dass die dortigen Bauten von hohem ästhetischem Rang sind. Eine Baukostensteigerung von 5 auf 30 Millionen Euro halte ich für völlig ausgeschlossen. Jeder, der die Pläne vor Baubeginn gesehen haben mag, wird NIE von 5 Millionen gesprochen haben. Das kann so gar nicht sein.   Wahrscheinlich hat ein schlauer Mensch, um das Gesamtprojekt in der dargestellten Qualität verwirklichen zu können, die Einzelbauwerke des Gesamtprojektes mit Schätzpreisen versehen, jeweils so um die 5 Mio herum, um etwas hinterlistig über die zu erwarteten Gesamtkosten hinwegzutäuschen. Im Grundsatz ist es sehr erfreulich, dass neben dem Limburger Dom ein so schönes Projekt in der Architektursprache unserer Zeit verwirklicht worden ist.  Wolfgang Döring, geb.1934 in Berlin, hat in München und Karlsruhe Architektur studiert. Sein Architekturbüro in Düsseldorf führt er seit 1964 und erweiterte es 1999 mit zwei Partnern (Döring Dahmen Joeressen). Das Büro ist neben Deutschland auch international u.a. in Saudi Arabien,  Kuwait, Azerbaidjahn, Libyen, Italie, Russland, England und in der Türkei tätig. Döring war Lehrstuhlinhaber als o.Prof. für Entwerfen und Baukonstruktion an der RWTH Aachen 1972 – 1999 und Gastprofessor  an der Univ. Buenos Aires- Argentinien, Univ. Tokyo –Japan und Univ. Quito-Ekuador. Ein Architekt geht nicht in den Ruhestand: Er stirbt.
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Henner Herrmanns / 30.10.2013 / 12:19

Architekt, Koblenz

Nein ...

Der teure neue Bischofssitz in Limburg ist in erster Linie deshalb zur Affäre geworden, weil die katholische Kirche angeblich für den Unterhalt von Kirchengebäuden kein Geld mehr zur Verfügung hat und sie deshalb verkauft oder abreißt. Darunter befinden sich auch Bauwerke berühmter Baumeister wie Rudolf Schwarz, Gottfried Böhm und viele andere. Gerade das Bistum Limburg verfolgt mit seinem Programm „Sparen und Erneuern“ das Ziel, mehrere Gemeinden zu fusionieren, um im Ergebnis vier von fünf Kirchengebäuden schließen zu können. Aus diesem Grund fehlt es in der Bevölkerung zu Recht an Verständnis für die unverhältnismäßig teure Unterbringung einer einzelnen Person, des Bischofs von Limburg. Zudem ist die Architekturästhetik des umstrittenen Bauensembles in Limburg meines Erachtens (ich kann es allerdings nur auf der Grundlage von Fotos beurteilen) nicht wirklich überzeugend. Es handelt sich um ein Konglomerat von Gebäuden, die nicht zu einem harmonischen Ganzen zusammengeführt worden sind. Sie werden durch eine umlaufende hohe Mauer eingefasst. Berninis Kolonaden des Petersplatzes in Rom symbolisieren weit geöffnete Arme, die für die apostolische Mission der katholischen Kirche stehen sollen, die sich für die ganze Welt offenhält. Welche Konnotation steht wohl hinter dem bunkerartigen Bischofssitz in Limburg, der sich hinter hohen Mauern verschanzt? Auch passt die auffallende schwarze Kapelle weder ins pittoreske Stadtbild von Limburg mit seinen Fachwerkhäusern noch zum Limburger Dom. Der Innenhof erscheint wegen seiner geringen Außenmaße wie die Persiflage eines Kreuzganges. Es ist ungeschickt, in dieser Situation auch noch Doppelsäulen zu planen, die weder statisch noch ästhetisch begründet sind. Sie kommen als profane Betonstützen daher und haben keinerlei architektonischen Reiz. Meines Erachtens ist die hohe Bausumme nicht der herausragenden Architektur geschuldet, sondern dem schwierigen Bauplatz sowie den Umplanungen und Erweiterungen während der Bauphase. Ein echter Gegenwert in Form von einer großartigen Architektur wurde nicht geschaffen. Nein, der Limburger Bischof ist als Bauherr nicht zu vergleichen mit den Kirchenfürsten, deren Bauwerke über Jahrhunderte zu unserer Architekturgeschichte beigetragen haben.  Henner Herrmanns, geboren 1950 in Kalkutta/Indien, studierte Architektur an der RWTH Aachen und an der Kunstakademie Düsseldorf. Er ist Professor am Fachbereich Architektur der FH Koblenz. In seinem Blog berichtet er regelmäßig über aktuelle Bauprojekte, von Exkursionen und aus seinen Seminaren. Dort gab es auch eine lebhafte Diskussion über den Bau des Bischofssitzes.
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Gus Wüstemann / 4.11.2013 / 18:08

Architekt, Zürich & Barcelona

Nein ...

Eines der Missverständnisse in der heutigen Baukultur liegt darin, dass sozial kontaminierte Konnation mit Qualität in der Architektur verwechselt und vermischt werden. Architektur ist Architektur, es bedarf keiner Attribute wie luxuriös, modern, konventionell, traditionell usw. Dies sind die Ängste jedes Einzelnen: sich über Architektur äußern zu können, sich als Bauherr äußern zu müssen und nach diesen Attributen zu suchen. Es sind dann ganz existentielle Fragen, die eben nicht beantwortet werden, wie zum Besipiel: Was ist es? Spricht es das Herz an? Ist es gut gemacht? In diesem Moment spielen bei den meisten Menschen ihr sozialer Hintergrund und die Hierarchiegläubigkeit in der Gesellschaft eine viel wichtigere Rolle, als dass sie sich mit einer gewissen Wahrheit umgeben möchten: Extremer Aufwand, aber keine Poesie, ein überdurchnittliches (evt. auch: relativ stures) Anwenden des in der Akademie Gelernten.

 

Das Projekt von Bischof Terbatz-van Elst ist ein Beispiel dieser Art von Verwechslung in multipler Form, ohne die Architektur als solche zu werten. Als Bischof streng mit den Hierarchien der Kirche verbunden, hat er klare Bilder im Kopf, was denn diesem Status der Architektur entsprechen soll. Es sind diese klaren Hierarchien, die sich hier mit der Architektur treffen. Wieso nicht einfacher, mit industriellem Stahl, Wellblech und roher Eiche? Diogenes lebte in einem Holzfass und glaubte nichts Überflüssiges zu besitzen. Bis er einen Jungen sah, der aus seinen hohlen Händen Wasser trank. Daraufhin warf er seinen einzigen Besitz, seine hölzerne Schale weg. Es gibt immer noch eine einfachere, authentischere und damit auch poetischere Lösung. Diogenes hat dies verstanden.

 

Gus Wüstemann studierte Architektur an der ETH Zürich und arbeitete in Sidney, New York, Paris und Bombay. 1997 gründete er gus wüstemann architects mit Büros in Zürich und Barcelona.

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