"Ist der Selbstbau
der neue Soziale Wohnungsbau?"
Ja! 33%
Nein! 67%
Gute Gestaltung für alle war ein wesentliches Ansinnen der Bauhäusler. Heute sind allerdings genau diese, einst für die industrielle Massenproduktion entwickelten Möbelentwürfe, nur noch unter Auflage hoher Designlizenzen teuer zu erstehen. Das flächendeckende Versorgungsmonopol für «Bessere Möbel billiger» hält heute IKEA inne. Diese Marktmechanismen unterwandert Van Bo Le-Mentzel mit seinen Bauanleitungen für die an Bauhausklassiker angelehnten Hartz IV Möbel. Man kann sie kostenlos aus dem Netz laden und unschlagbar billig selbst nachbauen.
Wesentlich für den Zuspruch, den Do-it-yourself derzeit erfährt, ist neben dem günstigen Preis die Identifikation mit dem Selbstgemachten gegenüber dem Produkt von der Stange. Individualisierung und erschwingliche Kosten sind auch zunehmend fur den Wohnungsbau zentrale Themen – vor allem seit der Soziale Wohnungsbau abgeschafft wurde. Bei den heutigen Alternativmodellen zur konventionellen Wohnraumproduktion wie Bauherrengemeinschaften bleiben Geringverdiener in der Regel außen vor. Warum wendet man das Prinzip Selbstbau also nicht im großerem Maßstab an?
Beispiele, die unter Einbezug des „Muskelkapitals“ finanziert wurden, wie das "Wohnregal" der IBA 1987 in Berlin von Nylund, Puttfarken und Stürzebecher, blieben zunächst mehr oder weniger folgenlos. Doch heute, fast dreißig Jahre später, haben sich unsere Gesellschaft und unsere Städte verändert. Einige Menschen arbeiten heute zu viel, während andere arbeitslos sind oder nur über ein sehr geringes Einkommen verfügen, sie dafür aber mehr Zeit (zum bauen) haben. Dabei kommt dem Selbstbau möglicherweise eine neue Bedeutung zu. Das zeigen nicht nur Projekte von Mietshaussyndikaten oder Genossenschaften, die Gedanken des Selbstbaus integrieren, sondern auch die IBA Hamburg mit Grundbau Siedler von BeL Architekten. Der Investor des Projekts will das Konzept weiterverfolgen, auch weil man damit als Bautrager „einen ganz anderen Markt von Menschen“ (Bauwelt, v. 7. 12.2012) erschließt. Heißt es angesichts dieser Entwicklungen, steigender Immobilienpreise und zunehmendem Wohnraumbedarfs also nicht mehr kaufen statt mieten, sondern selbstbauen anstatt kaufen? Ist der Selbstbau der neue Soziale Wohnungsbau?
Jein ...
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Ja ...
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Nein ...
Es fehlt nicht an Architekten, die gerne mit Selbstbaugerüsten den sozialen Wohnungsbau revolutionieren würden. Es fehlt eher an der vermeintlichen Zielgruppe, die gleichzeitig über handwerkliche Ambitionen und das nötige Kapital für die Startinvestition verfügt. Selbstbau ist nur sehr begrenzt mit einem Mietmodell kompatibel und hat zu spezielle Anforderungen für eine großmaßstäbliche Umsetzung.
Die Potentiale des Selbstbaus sollten jedoch nicht nur in ökonomischen Kategorien gedacht werden. Ein Selbstbauer ist nicht unbedingt ein Geringverdiener. Vielmehr ist er jemand, der nach individualisierten Formen des Wohnens und nach Alternativen zur Massenware sucht oder einfach Lust am Handwerken und Gestalten hat. Das Interessante daran, ist der persönliche Beitrag zur Stadt. Er fördert die Identifikation des Nutzers mit seiner Nachbarschaft. Im Idealfall entstehen dabei eine andere Ästhetik und neuen Typologien, welche die gesichtslose Investorenmonotonie zugunsten einer größeren stadträumlichen Diversität aufbrechen.
Das Modell Selbstbau ist, ähnlich wie Baugruppen und Genossenschaften, nur für bestimmte Gruppen oder einen begrenzten Maßstab anwendbar. Alle diese Modelle haben als Experiment begonnen und tragen in ihrer Summe zur urbanen Mischung bei.
In der Wohnungsfrage geht es letztlich nicht um die Masse, sondern um das „Wer“, „Wo“ und „Wie“. Das Experimentieren mit alternativen Akteurskonstellationen, neuen Investitions- und Produktionsformen, differenzierten Standards, etc. kann immer wieder neue Impulse für eine soziale und räumliche Vielfalt liefern. Wichtig ist dabei, dass die Politik die nötigen Voraussetzungen schafft und eine sinnvolle städtebauliche Integration der einzelnen Strategien ermöglicht.
TELEINTERNETCAFE wurde 2011 von Manfred Eccli, Marius Gantert, Andreas Krauth, Urs Kumberger und Verena Schmidt in Berlin gegründet. Als Gruppe von fünf Architekten beschäftigt sich TELEINTERNETCAFE mit den Themenfeldern Architektur und Urbanismus. Bei der Zusammenarbeit in wechselnden Konstellationen und im Austausch mit Experten verschiedener Disziplinen werden individuelle Kompetenzen projektbezogen gebündelt. Die Auseinandersetzung mit dem Ort und dem Situativen bildet jeweils den Ausgangspunkt für die Suche nach neuen, offenen Formen von Stadt.
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